Genussvoll gegen Entzündungen

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Alpinistin

Petra Müller (49) ist seit sieben Jahren von einer rheumatoiden Arthritis (RA) betroffen. Die Krankheit nahm einen launenhaften Anfang: schmerzfreie Phasen, in denen Joggen, Klettern und Skifahren kein Problem waren, im Wechsel mit «himmeltraurigen» Zeiten, in denen Petra Müller nur unter Schmerzen humpeln und einzig mit Schmerzmitteln schlafen konnte.

So vergingen zwei Jahre bis zur Diagnose – mit der Aussicht auf eine lebenslängliche medikamentöse Therapie, worauf Petra Müller entschieden «keine Lust» hatte. Sie verschlang, was in Büchern, Artikeln und Blogs zur ganzheitlichen Behandlung einer RA greifbar war. Gewappnet mit angelesenem Ernährungswissen, strich sie Zucker, Weizen und Milchprodukte vom Speiseplan. Die ersten Linderungserfolge dieser Ernährungsumstellung machten sie experimentierfreudig, und sie testete nach dem Plan einer amerikanischen «elimination diet» (Ausschlussdiät) systematisch durch, auf welche Nahrungsmittel ihr Körper welche Reaktionen zeigt.

Das Jahr der Diagnose (2013) wurde zum Jahr der Wende. Petra Müller wechselte den Rheumatologen. Dieser konnte ihre chronischen Kniebeschwerden mit Akupunktur lindern, verschrieb ihr aber den COX-2-Hemmer Etoricoxib (aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika, NSAR). Parallel verbesserte sich ihre Lebensqualität dank einer massgeschneiderten Ernährung, regelmässiger Bewegung sowie Entspannung.

Seit 2014 ist Petra Müller frei von Schüben und von Ruheschmerzen. Vor einem halben Jahr hat sie das Antirheumatikum (nach drei Jahren) absetzen können und nimmt gegenwärtig gar keine Rheumamedikamente mehr. Sie nennt sich eine «genesende» RA-Patientin und gibt ihre Erfahrungen als Coach, Beraterin und Bloggerin an andere Rheumabetroffene weiter.

Rheumaliga Schweiz: Ihr medikamentenfreier Therapiemix umfasst Ernährung, Bewegung und Entspannung. Welchen Anteil an Ihrem Erfolg hat die Ernährung?

Petra Müller: Die Ernährungsumstellung hat ganz klar dazu geführt, dass ich zurzeit keine Rheumaschübe mehr habe. Durch die antientzündliche Ernährung hat sich meine Lebensqualität drastisch verbessert. Dass ich schon eine Stunde, nachdem ich etwas «Falsches» gegessen habe, starke Schmerzen bekomme, die 24 Stunden anhalten, ist für mich ein überdeutliches Zeichen für den grossen Einfluss der Ernährung auf den Organismus. Dennoch empfinde ich Bewegung, Entspannung und ausreichenden Schlaf als ebenso wichtig. Meine Schulterschmerzen habe ich mir richtiggehend wegtrainiert, auch wenn das sanfte Armkreisen anfangs schmerzte.

Eliminationsdiäten wirken auf viele extrem. Wie erleben Sie das Weglassen von so vielen gewohnten Nahrungsmitteln?

Ein Schlüsselerlebnis gab mir zu denken: Zu Beginn der Ausschlussdiät hatte ich starke Schmerzen aufgrund des Entzuges von Gluten, was offenbar viele Menschen bei einer Ausschlussdiät erfahren. Für mich war es spannend, wie ich meinen Körper besser kennenlernte und nach ein paar Wochen auch kleine Zeichen «verstand». Das ist eine Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte. Mir wurde während dieser Zeit bewusst, wie wichtig es ist, was wir essen und welchen Einfluss die Ernährung auf unseren Körper hat.

Aber natürlich ist es nicht einfach, wenn man sich täglich um sein Essen kümmern muss. Wenn ich nicht zuhause arbeite, muss ich mir mein Essen am Vorabend vorbereiten. Unter dem Strich lohnt sich für mich der Aufwand, weil ich weiss, was in meinem Essen drin ist und dass es mich zufrieden und satt macht. Eine schöne Art von Selbstfürsorge. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir wieder mehr Zeit ins Kochen und gemeinsame Essen investieren sollten.

Wie und wo essen Sie auswärts oder auf Reisen?

Es geht nichts ohne vorherige Abklärungen und Recherchen. Wenn ich zu einem Essen eingeladen werde, muss ich vorher herausfinden, ob ich in einem Restaurant etwas bekomme, das für mich verträglich ist. Ich mache hierbei meist positive Erfahrungen, nur selten hat man in einem Restaurant kein Verständnis. Bei Privateinladungen kochen meine Gastgeber oft etwas von meinem Blog – und stellen dabei fest, dass gesundes Essen schmeckt und nicht kompliziert ist. Oft bleiben diese Rezepte dann im Repertoire der Gastgeber.

Das Frühstück ist aktuell ein umstrittenes Thema. Was essen Sie zum Zmorge?

Mein Frühstück ist mir das Liebste und heilig. Ich denke jedoch, dass jeder Mensch verschieden ist, und dass es durchaus sinnvoll sein kann, erst spät oder gar nicht zu frühstücken. Grundsätzlich scheint es aus evolutionären Gründen besser zu sein, weniger Mahlzeiten zu sich zu nehmen, als dauernd zu essen. Um die Frage zu beantworten, was ich zum Zmorge zu mir nehme: ein nährstoffreiches Müesli aus Hafer- oder Hirseflocken oder Buchweizen, dann verschiedene Samen, Zimt, Vanille, Reishipulver (ein Vitalpilz), selbstgemachte Nussmilch, ein paar Beeren und meist einen kleinen Apfel.

Viele RA-Betroffene achten auf die Balance von Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren. Reicht das nicht?

Es ist sicherlich sinnvoll, auf genügend und gute Fette zu achten, aber meiner Erfahrung nach reicht das nicht, wenn man trotzdem täglich Zucker, Weissmehl, Milchprodukte, verarbeitete Lebensmittel und künstliche Süssstoffe zu sich nimmt.

Sie propagieren keine bestimmte Ernährungslehre. Welche Autoren oder Formen von Eliminationsdiäten können Sie empfehlen?

Im deutschsprachigen Raum konnte ich keine ausführlichen Informationen über Ausschlussdiäten finden, daher kann ich lediglich die «elimination diet» von Tom Malterre und Alissa Segersten empfehlen, die darüber ein gutes Buch geschrieben haben (bisher nur auf Englisch und in spanischer Übersetzung erhältlich).

Ganz kurz: Was sind Ihre drei wichtigsten Ernährungsratschläge für Personen mit entzündlichem Rheuma?

Kleine Schritte machen. Essen ist etwas sehr Emotionales und hat viel mit Gewohnheit zu tun. Es kann sinnvoll sein, vom Konfibrot auf ein zuckerfreies, glutenfreies Müesli mit Nussmilch umzusteigen und abzuwarten, wie man sich nach ein paar Wochen fühlt. Wenn das zur Gewohnheit geworden ist, kann eine weitere Veränderung vorgenommen werden.

Da Weizen sehr viel Lektin enthält und Entzündungen im Körper fördert, könnte auf Dinkel umgestellt werden. Zudem ist es sinnvoll, sich den Zucker im Kaffee und Tee abzugewöhnen (künstlicher Zucker ist nicht empfehlenswert).

Ebenfalls sehr entzündungshemmend sind Ballaststoffe, die übrigens nur in Pflanzen vorkommen. Das heisst: Fleisch reduzieren und viel buntes, saisonales Gemüse essen.

Erlauben Sie mir einen vierten Punkt: Gewürze und Kräuter machen Gerichte spannender und schmackhafter und wirken entzündungshemmend: Curcuma, Ingwer, Zimt, Vanille, frische und getrocknete Kräuter.

Datum des Interviews: 14. Februar 2017

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