Die Forschungsdatenbank SCQM nützt dem Arzt und dem Patienten, um die Qualität in der Behandlung zu erhöhen. Herz des SCQM ist das so genannte Scoreboard – eine übersichtliche Grafik, die dem Arzt und dem Patienten einen Überblick über den Langzeitverlauf der Erkrankung und der Medikation gibt.
Michael Andor dreht seinen PC-Bildschirm zur Mitte. Brigitta Blumer rückt näher an den Tisch. Jetzt haben beide, der Zürcher Rheumatologe und die Patientin, eine gute Sicht. Auf dem Bildschirm sind seit 2009 gesammelte Daten zu Krankheitsverlauf und Medikation von Blumer ersichtlich. Es ist das Scoreboard – eine Übersichtsgrafik über den Langzeitverlauf der Krankheit und die Medikation. «Bei der Arztvisite, in der ärztlichen Anwendung des SCQM, ist diese Grafik das Herzstück», sagt Andor. «Auf einen Blick sehe ich die gesamte Krankengeschichte eines Patienten.» Für ihn ist klar: «Müsste ich diesen Überblick selbst erstellen, wäre das sehr aufwendig.»
Die auf Blumers Scoreboard angezeigte Kurve für die Anzahl der schmerzenden Gelenke ist seit der letzten Visite steil gefallen – Blumer geht es besser. Der Blick des Arztes wandert auf dem Bildschirm nach unten. Der Medikamentenwechsel hat offensichtlich seine Wirkung getan. Andor lehnt sich zufrieden zurück. «Das Scoreboard zeigt, dass Frau Blumer auf einem guten Level ist. Ohne diese Grafik wüssten wir nicht mehr so genau, wie das vor fünf Jahren war.»
Regelmässige Dateneinträge sind wichtig
Andor eröffnet in der SCQM-Datenbank ein neues Dossier für eine Jahresvisite. Regelmässige Dateneinträge sind wichtig für den Verlauf. Im besten Fall gibt der Patient über die App mySCQM zwischen den Arztvisiten monatlich noch Informationen zur Krankheitsaktivität und der Medikation ein, damit der Arzt bei der Visite über möglichst viele Informationen verfügt. Zudem stehen so mehr Daten für die Erforschung entzündlich rheumatischer Erkrankungen zur Verfügung. Diese ist wichtig, denn: «Vielleicht tragen meine Daten irgendwann einmal dazu bei, dass es anderen Menschen besser geht», sagt Blumer. 2018 wurden 12 wissenschaftliche Arbeiten mit SCQM-Daten veröffentlicht.
Frau Blumer beantwortet die Fragen zu ihrem Gesundheitszustand bequem zu Hause, online. In anderen Arztpraxen werden die Patienten eine Viertelstunde früher einbestellt, damit sie die Fragen auf einem Tablet beantworten können. Blumer meint dazu: «Man reflektiert, setzt sich mit seiner Krankheit auseinander. Wie geht es mir jetzt, gestern oder vor einer Woche?» Andor ergänzt: «Es ist heute zunehmend wichtig, dass sich der Patient nicht nur als Opfer seiner Krankheit sieht, sondern auch aktiv werden kann. Der Patient bekommt etwas zur Hand und kann aktiv zur Besserung seines Gesundheitszustands beitragen.» Die gesammelten Daten des Arztes – klinische Untersuchungen, Labordaten, Angaben zur Medikation, Ultraschalldaten und Röntgenbilder – werden mit den Patientendaten ergänzt, um ein abgerundetes Bild des Krankheits- und Medikationsverlaufes zu ergeben.
Andor setzt die Visite fort. Er geht Frage für Frage in der SCQM-Datenbank durch. «Das hat sich nicht verändert; das haben wir schon angeschaut», hakt er einzelne Fragen ab. Andor ist einfühlsam und zugleich effizient. «Waren Sie im Spital bezüglich der Arthritis, haben Sie noch sonstige Arthritische beschwerden?» Die Patientin verneint. In der Eingabemaske der SCQM-Datenbank erscheinen menschliche Figuren mit übergrossen Händen und Füssen, die so genannten «Puppets». Auf ihnen kann der Arzt die Schwellungen und Schmerzen der Gelenke eintragen. Andor tastet systematisch die Gelenke in ihren Händen links, dann rechts ab. Die Arthritis ist im Moment nicht aktiv. Ein gutes Zeichen und gut für Frau Blumer. Nach einer halben Stunde beendet der Rheumatologe die Visite. Mit einem Lächeln reicht Andor der Patientin die Hand und verabschiedet sich.
Während Andor den Namen seines nächsten Patienten in die Suchmaske der SCQM-Datenbank eingibt, wird er nachdenklich: «Letzten Endes geht es um die Qualitätssicherung in der Medizin. Die Behandlung soll einem hohen Standard entsprechen. Mit dem SCQM haben die Schweizer Rheumatologen ein ideales Instrument dafür in der Hand.» Andor mustert das Scoreboard, das auf seinem Bildschirm erschienen ist. Er ist bereit für den nächsten Patienten.
Die Forschungsdatenbank SCQM
Die Swiss Clinical Quality Management Foundation (SCQM) mit Sitz in Zürich betreibt nationale Register für entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die Rheumatoide Arthritis, die Psoriasis-Arthritis und die axiale Spondyloarthritis (Morbus Bechterew).
Das SCQM arbeitet eng mit der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (SGR) zusammen. Das SCQM dient den Schweizer Rheumatologen zur Sicherung ihrer Behandlungsqualität. Gleichzeitig stehen die Daten der medizinischen Forschung zur Verfügung. Etwa 70% aller Schweizer Rheumatologen in Privatpraxen und Spitälern erfassen Daten zu Krankheitsverlauf und Medikation der betroffenen Patienten. Sie erfassen Laborwerte, Röntgenbilder, Ergebnisse von Ultraschalluntersuchungen und Bioproben. Zusätzlich zu den Werten des Arztes ergänzen die Patienten die Daten mit der eigenen Wahrnehmung ihres Krankheitsverlaufs. Dazu gehören Funktionalitätseinschränkungen, Lebensqualität sowie Angaben zu ihrer sozioökonomischen Situation.
Die Teilnahme am SCQM ist für Arzt und Patient freiwillig. Das SCQM stellt die Datenbank unentgeltlich zur Verfügung. Bisher wurden Daten von 17‘848 Patienten aus verschiedenen Regionen der Schweiz gesammelt (Stand: Mai 2019).
Erstveröffentlichung: Zeitschrift «info» Nr. 153 (September 2019) der Schweizerischen Polyarthritiker-Vereinigung (SPV), S. 18-19.