Nährstoffbombe Brennnessel

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Brennnessel

Jeden Frühling treibt die Grosse Brennnessel (Urtica dioica) aus einem kriechenden Wurzelstock aus, um zum Sommer hin bis anderthalb Meter hohe Stängel zu bilden. Die Triebspitzen der Brennnessel und ihre feineren Blätter lassen sich bis Juli ernten. Sie bilden frisch eine chlorophyllreiche Smoothie-Zutat und geben auch einem grünen Salat das gewisse Etwas. Ebenso lassen sich frische Brennnesselblätter zu einem Pesto, einer Suppe oder wie Spinat verarbeiten. Getrocknete Brennnesselblätter ergeben einen feinen Tee mit harntreibender Wirkung oder würzen – zwischen den Fingern zerrieben – Suppen und Saucen.

Urtica dioica

Eine wahre Nährstoffbombe

Als besonders gesund gilt die Brennnessel wegen ihres aussergewöhnlichen Nährstoffreichtums. Sie enthält die Vitamine A, B2, B5, B9 (Folsäure), C, D, E und K sowie eine Fülle von Mineralstoffen und Spurenelementen, vor allem Calcium, Eisen, Kalium, Magnesium, Phosphor und Silicium, ferner Kupfer, Mangan, Schwefel, Selen und Zink. Calcium und Magnesium liegen in der Brennnessel übrigens in einem für den Knochenstoffwechsel idealen Mengenverhältnis vor.

Mehr Eisen als in Spinat?

Die Brennnessel wird bezüglich ihres Eisengehaltes gern mit dem Spinat verglichen, den sie sogar übertrumpfen soll. Allerdings kursieren dazu verschiedene Zahlen, weil der Eisenanteil offenbar davon abhängt, wo die Brennnessel gewachsen ist. Einig ist man sich einzig darüber, dass sie relativ viel Eisen, aber viel weniger Oxalsäure als Spinat enthält, was ihr Eisen besser verwertbar macht. Dieser Vorzug ist aber kein Argument gegen den Spinatgenuss, im Gegenteil. Französische Spitzenköche kombinieren Brennnessel und Spinat auf hohem kulinarischem Niveau. Wie es auch bei uns früher auf dem Lande gang und gäbe war, Spinatgerichte mit Brennnesseln zu strecken.

Eine Eiweissquelle bei vegetarischer Ernährung

Wie der Spinat enthält die Brennnessel alle acht essenziellen Aminosäuren und verblüffend viel Eiweiss. Die Angaben zum Eiweissanteil in 100 Gramm frischer Brennnesselblätter schwanken zwischen 5,5 und 7,4 Gramm (oder noch darüber). Das vermeintliche Unkraut liefert pro 100 Gramm also ähnlich viel Protein wie frische Erbsen, Kefen oder Bohnen.

Jedoch noch viel höher ist der Eiweissanteil in den Samen der Pflanze. 100 Gramm Brennnesselsamen enthalten 30 Gramm pflanzliches Protein. Zusätzlich stecken in den Samen wertvolle Öle, Schleimstoffe und hormonähnliche Substanzen. Vor allem diese stärken die Libido und die Potenz.

Stark gegen Stress

Bei der Fülle und Breite ihrer Pflanzenstoffe ist es nicht verwunderlich, dass Anthony William die Brennnessel in seinem Werk «Medical Food» zu den Adaptogenen zählt. Er nennt die Brennnessel einen «Star» unter den adaptogenen Pflanzen, der den Körper bei Stress auf ideale Weise unterstütze.

Was sind Adaptogene?

Adaptogene sind in Pflanzen und Pilzen vorkommende Wirkstoffverbindungen, die dem Körper helfen, sich gegen körperlichen und mentalen Stress zu schützen. Adaptogene stärken die Widerstands- und fördern die Selbstheilungskräfte. Sie sind Allrounder der Regulationsmedizin. Sie zielen nicht wie Medikamente auf eine spezifische Wirkung, sondern wirken, indem sie unzählige biochemische Prozesse des Stoffwechsels, des Immunsystems, des Drüsensystems usw. gleichzeitig regulieren, normalisieren und harmonisieren. Die einheimische Brennnessel in die Liga der Adaptogene aufzunehmen, ist eine erfrischende Provokation, denn bis heute dominieren darin «Asiaten» wie Amla, Ashwagandha, Curcuma, Ginseng, Ingwer, Jiaogulan, Reishi, Rosenwurz oder Taigawurzel.

Brennnessel bei Rheuma?

Wie Studien zeigen, nehmen Pflanzenstoffe der Brennnessel auf einige klassische Entzündungswege Einfluss, die der Körper bei rheumatischen Erkrankungen einschlägt. Die Brennnessel liefert natürliche COX- und LOX-Hemmer sowie Stoffe, die entzündungsfördernde Zytokine wie den Tumornekrosefaktor (TNF-α) und das Interleukin-1 hemmen.

Zugeschrieben werden die antirheumatischen Effekte vor allem den ungesättigten Fettsäuren, der entzündungshemmenden Kaffeoyläpfelsäure sowie einigen Flavonoiden wie dem Pflanzenfarbstoff Rutin. Wirksamkeitsnachweise liegen vor bei Arthrose und Arthritis. Nebenwirkungen sind selten (Allergien, Magen-Darm-Beschwerden). Alles in allem ist die Studienlage zu Brennnesselextrakten aber dünn; es fehlt der zweifelsfreie klinische Nachweis.

Anregungen aus der Naturmedizin

Kaum ein «Gesundheitsheftli» lässt es sich nehmen, im Frühling eine Detox- und Anti-Aging-Kur mit der Brennnessel zu propagieren. Die Medien greifen damit ein altes Mittel der Volksmedizin auf. Diese empfiehlt eine Frühlingskur mit Brennnessel zur Entgiftung und Entschlackung sowie bei Müdigkeit und Erschöpfung.

Allein der Vitalstoffreichtum der Brennnessel spricht für eine solche Kur. Sie besteht darin, täglich 3 Tassen Brennnesseltee oder 3 Esslöffel frisch gepressten Brennnesselsaft zu trinken. Es wird empfohlen, sich an diese Dosis zu halten und die Kur auf drei, maximal vier Wochen zu beschränken.

Ansonsten spricht nichts dagegen, den Speiseplan mit frischen Brennnesselblättern zu bereichern, die man selber gratis ernten kann. Eine Gefahr, sie mit anderen Pflanzen zu verwechseln, besteht kaum. Äusserlich am ähnlichsten sehen ihr die Goldnessel und die Taubnessel. Diese Nesseln entwickeln aber auffällige, farbige Blüten (wogegen die Brennnessel ganz unscheinbar blüht) und besitzen keine Brennhaare, die, wenn man die Pflanze nur schon streift, einen brandheissen Nervenbotenstoff-Cocktail aus Histamin, Acetylcholin, Serotonin und Ameisensäure freisetzen.

Übrigens: Brennnesselblätter verlieren ihre brennende Wirkung, sobald sie mit Öl in Berührung kommen oder gewässert, gekocht oder gemixt werden. Auch ein Walholz treibt ihnen das Brennen aus, ein alter Küchentrick.

Review: Sybille Binder, dipl. Ernährungsberaterin FH, Institut für integrative Naturheilkunde Nhk https://www.nhk.ch/

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Quellen

Alternatif Santé: Plantes adaptogènes: Définition et liste des plantes adaptogènes ainsi que leurs bienfaits. Abrufbar unter diesem Link.

A. Vogel: Brennnessel: Nährstoffreiches Frühjahrskraut. Bewährte Heilpflanze für den Stoffwechsel. Abrufbar unter diesem Link.

Chrubasik, Julia E., Roufogalis, Basil D., Wagner, Hildebert, Chrubasik, Sigrun A.: A comprehensive review on nettle effect and efficacy profiles, Part I: Herba urticae, Phytomedicine, Volume 14, Issue 6, 2007, p. 423-435. Abrufbar unter diesem Link.

Der andere Weg: Die Brennnessel, «Königin der Kräuter». Abrufbar unter diesem Link.

Donna: Brennnessel: So wirkt die Heilpflanze auf Gesundheit und Wohlbefinden. Abrufbar unter diesem Link.

Gesünder abnehmen: Nährwerte und Kalorien (kcal) Brennessel je 100 g. Abrufbar unter diesem Link.

Nährwertrechner: Brennnessel. Abrufbar unter diesem Link.

Nutripure: Les bienfaits de l’ortie bio. Abrufbar unter diesem Link.

Pschyrembel Online: Brennnessel. Abrufbar unter diesem Link.

Sass, Wolfgang: Rheumatherapie: Brennessel-Extrakt hemmt Zytokine, Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 26, 2. Juli 1999, S. A-1792. PDF

Schwindling, Rudolf: Rheumatherapie mit pflanzlichen Arzneimitteln: Wirksamkeit zahlreicher Phytopharmaka belegt, Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 15, 11. April 1997, S. A-974f. PDF

Teepower: Adaptogene: Alles auf einen Blick. Abrufbar unter diesem Link. (Obwohl ein Shop, enthält diese Website eine ausgezeichnete Einführung ins Thema samt einem Quellenverzeichnis.)

Vie augmentée: Lutter contre le stress grâce aux plantes adaptogènes. Abrufbar unter diesem Link.

William, Anthony: Medical Food. 4. Auflage. München: Arkana Verlag; 2017, S. 286-288

Zentrum für Gesundheit: Brennnessel – ein köstliches Heilkraut. Abrufbar unter diesem Link.

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