Die Ergotherapeutin Natalie Georgiadis erklärt wichtige Prinzipien zum Schutz der Gelenke im Alltag anhand einiger Hilfsmittel aus dem Sortiment der Rheumaliga Schweiz. Sind Sie unsicher, wie man ein bestimmtes Hilfsmittel anwendet? Oder ob es für Sie überhaupt sinnvoll ist? Natalie Georgiadis stellt bei der Rheumaliga Schweiz die ergotherapeutische Fachberatung sicher und steht Ihnen für Fragen gerne zur Verfügung: n.georgiadis@rheumaliga.ch
Rheumaliga Schweiz: Unser Sortiment umfasst eine breit gefächerte Auswahl von Öffnungshilfen wie den Schraubdeckelöffner, den Flaschenöffner «Pet Boy», den Dosenöffner, den Multiöffner oder den Antirutsch-Öffner. Werden Personen, die all diese Utensilien anwenden, nicht irgendwann die Fingerfertigkeiten des Auf- und Zuschraubens verlernen?
Natalie Georgiadis: Vielleicht, aber eine Fingerfertigkeit, die Schmerzen verursacht und die die Gelenke nicht achsengerecht belastet, darf man durchaus «verlernen» und soll man kompensieren. Wenn ich ein Konfiglas mit Hilfe des Antirutsch-Öffners aufschraube, lerne ich eine neue Form des Greifens kennen. Statt den Deckel mit gekrümmten Fingern zu «umkrallen», senke ich meine ganze Hand auf den Antirutsch-Öffner, «umschmiege» damit den Deckel mit meiner Handfläche und brauche nur noch sanften Druck auszuüben. Achte ich zusätzlich darauf, mein Handgelenk in der geraden Hand-Arm-Achse zu halten, geschieht die Drehbewegung locker aus dem Arm. Dabei belaste ich den Ellbogen und das Schultergelenk und beteilige meinen Oberkörper.
Rheumaliga Schweiz: Grosse Gelenke einsetzen statt kleine, ist das das Prinzip?
Natalie Georgiadis: Genau, diese Verlagerung ist eines der beim Antirutsch-Öffner umgesetzten Prinzipien. Man belastet die grossen Gelenke, um die kleinen Fingergelenke, die so häufig von einer Arthritis oder einer Arthrose betroffen sind, zu entlasten. Ein weiteres Prinzip ist die Vergrösserung der Kontaktfläche. Der ganze Handteller ruht auf dem Deckel. Das braucht viel weniger Kraftanwendung, als wenn ich mit den Fingern greife und klammere.
Rheumaliga Schweiz: Also eine andere Grifftechnik und ein bewusster Körpereinsatz, mehr vom Oberkörper her; braucht es dazu Anleitung und Übung?
Natalie Georgiadis: Gute Frage. Natürlich kann man den Antirutsch-Öffner anfangs auch «falsch» anwenden. Also weiterhin primär mit den Fingern arbeiten, statt die Handfläche einzusetzen. Dank der Antirutsch-Beschichtung wird auch schon diese falsche Handhabung leichter fallen. Man wird feststellen, dass weniger Kraft erforderlich ist, um den Deckel auf- oder zuzuschrauben. Von dieser Erfahrung ist es ein kleiner Schritt zur richtigen Anwendung mit der ganzen Hand, zur maximalen Entlastung der Finger. Das lernt man eigentlich intuitiv. Man muss sich nur ein bisschen mit dem Hilfsmittel beschäftigen und dabei beobachten, wie man den eigenen Körper einsetzt, um den Dreh rauszubekommmen.
Rheumaliga Schweiz: Beim Flaschenöffner «Pet Boy» geht das noch einfacher.
Natalie Georgiadis: Genau. Der Pet-Boy funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Man setzt ihn auf den Drehverschluss einer PET-Flasche, umschmiegt den weichen Silikongummi mit der Handfläche und bewegt ihn mit der Kraft des ganzen Armes. Der Pet-Boy ist ideal für unterwegs, passt in jede Hosentasche, ist schnell hervorgeholt. Sein einziger «Nachteil» ist, dass er nur auf PET-Flaschen, Bier- oder Weinflaschen mit Drehverschluss passt, wogegen sich der Antirutsch-Öffner unterschiedlichen Grössen anschmiegt. Übrigens gibt es den Antirutsch-Öffner in klein und gross. Die kleine Version eignet sich für PET-Flaschen, aber auch für Getränkeflaschen mit etwas grösserem Drehverschluss. Dagegen passt die grosse Version auf allerlei Gläser, vom kleinen Glas Kapern über verschieden grosse Konfitürengläser bis zum grossen Glas mit Essiggurken.
Rheumaliga Schweiz: Das deckt sich mit dem Spektrum des Schraubdeckelöffners.
Natalie Georgiadis: Genau. Mit dem Schraubdeckelöffner lassen sich Deckel von 2,5 bis 9 cm Durchmesser mühelos öffnen. Dafür verantwortlich sind die Greifklammer, die die Griffbewegung einspart, und der lange Edelstahlgriff mit seiner grossen Hebelwirkung. Wenn man den Griff mit der Hand umschliesst, bedarf es nur noch eines minimen Kraftaufwandes, um ihn zu bewegen.
Rheumaliga Schweiz: Die Hebelwirkung kommt auch bei manch anderen Hilfsmitteln zum Tragen.
Natalie Georgiadis: Überblicke ich das ganze Sortiment, sehe ich das Prinzip der Hebelwirkung bei zahlreichen Hilfsmitteln zum Einsatz kommen, im Kleinen wie im Grossen, beim Schlüsselgriff genauso wie beim Unkrautausstecher, dessen ergonomischer Griff sich aus dem Oberkörper heraus bewegen lässt, rückenfreundlich im Stehen.
Rheumaliga Schweiz: An die Hebelwirkung sollte man immer denken, richtig?
Natalie Georgiadis: Ja, und das sogar noch in einem weiteren Sinne. Denn der Hebel kann sich auch innerhalb unseres Körpers befinden, was wir vermeiden wollen. Wenn ich eine Last mit ausgestreckten Armen hebe, bilden diese einen Hebel. Das erhöht den Druck auf die Wirbelsäule und vergrössert die Last, trotz gleichem Gewicht. Deswegen sollte man einen Harass immer mit angewinkelten Ellbogen emporheben und nahe zur Brust nehmen. Und überhaupt alle Lasten immer so nahe wie möglich am Rumpf tragen.
Rheumaliga Schweiz: Zurück zu den erwähnten Hilfsmitteln: Wenn man damit fast alle Schraubverschlüsse aufbekommt, wozu empfehlen Sie dann noch Ergänzungen wie eine Antirutsch-Matte oder den Vakuumlöser «Jarkey»?
Natalie Georgiadis: Bei der Antirutsch-Matte denken wir an die zweite Hand, die die wichtige Nebenrolle spielt, ein Glas oder eine Flasche zu fixieren, während wir das Objekt mit der dominanten Körperseite öffnen. Matte und Hand teilen sich sozusagen die Arbeit, so dass insgesamt viel weniger Kraft erforderlich ist.
Rheumaliga Schweiz: Und der Vakuumlöser?
Natalie Georgiadis: Viele Gläser mit Unterdruck lassen sich nur schwer zum ersten Mal öffnen. Der Jarkey ist da eine sinnvolle Ergänzung oder auch eine Alternative zum Öffner-Hilfsmittel. Beides bestätigen die vielen enthusiastischen Kundenbewertungen im Shop. Es gibt zwar eine neue Verschlusstechnik für Gläser, die den Jarkey arbeitslos macht. Sie kombiniert eine Deckelfläche und ein Ringstück zu einer Zwei-Teile-Lösung, dank der man Gläser mit Unterdruck recht leicht aufbekommt. Die Migros hat diese Verschlusstechnik vor Jahren in der Schweiz eingeführt, aber auf breiter Front hat sie sich nie durchsetzen können.
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