Sieben Rücken-Tipps für Vielsitzende

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Frau Buero Pixabay

Kommen meine Rückenschmerzen vom Sitzen? Sitze ich zu viel? Sitze ich falsch?

Solche Fragen stellen sich um so mehr, als das Sitzen zur Zielscheibe massiver ärztlicher Kritik wurde. Wortführer gegen das Sitzen ist der amerikanische Endokrinologe Dr. James A. Levine mit seinem Credo: «Sitzen ist schädlicher als rauchen, tötet mehr Menschen als HIV und ist gefährlicher als das Fallschirmspringen. Wir sitzen uns zu Tode.»

Levine verbreitete seine dramatische Warnung in einem Buch (2014) und vielen Talkshows. Die Medien prägten daraus die sprichwörtlich gewordene Phrase: «Sitzen ist das neue Rauchen.» Sie liess die Nachfrage nach Stehpulten in die Höhe schnellen.

Allerdings zeigten sich schon bald die Schattenseiten des Booms: Stundenlanges Stehen am Schreibtisch kann die Knöchel, die Knie- und die Hüftgelenke übermässig belasten. Viel sitzen durch viel stehen zu ersetzen, ist offenbar auch keine Lösung.

«Sitzen ist das neue Rauchen»?

Get Up

Krebs und Herzkrankheiten treten bei Menschen, die rauchen, deutlich häufiger auf als bei Menschen, die viel sitzen. Das haben Forscher aus Kanada, Australien und den USA in einer Studie (2018) gründlich nachgewiesen.1 Gerade Gesundheitsfachpersonen sollten deshalb damit aufhören, den Unsinn vom Sitzen als dem neuen Rauchen unkritisch zu zitieren und damit im Grunde den Tabakkonsum zu verharmlosen.

Auch wenn man das Sitzen nicht verteufeln darf, so steckt der Teufel doch im Detail. Ob es am Ende nicht doch gewisse Sitzpositionen gibt, die über kurz oder lang zu Rückenschmerzen führen oder bestehende Rückenschmerzen verschlimmern?

Für die aktuelle Medizin und Therapie ist das eine falsch gestellte Frage. Man denkt heute nicht mehr in den Kategorien von richtigen und falschen Sitzhaltungen. Denn die Statistiken belegen keinen Zusammenhang zwischen Sitzpositionen und Rückenschmerzen. Aktuelle Rücken-Tipps berücksichtigen diese Forschungsergebnisse.2

Rücken-Tipps

1. Tun Sie sich keinen Zwang an.

Im realen Leben weicht die Wirbelsäulenkrümmung häufig vom anatomischen Ideal ab. Doch selbst mit einem ausgeprägten Hohlkreuz oder einer mittelschweren Skoliose kann man schmerzfrei leben. So wenig Fehlhaltungen und Asymmetrien zu Schmerzen führen müssen, so wenig hängt die Rückengesundheit von der Körperhaltung ab. Zwar spricht nichts dagegen, diese auf einem Stuhl, Sessel oder Sofa mit einem Polster im Kreuz, einem Keilkissen unter dem Gesäss oder einer Erhöhung für die Füsse individuell anzupassen, aber es braucht sich niemand in eine Sitzhaltung zu zwängen, nur um einem Ideal zu genügen. Dazu gibt es keine wissenschaftliche Rechtfertigung.

2. Sitzen Sie zeitgemäss.

The Chair

Vielleicht geht das klassische Vorbild des aufrechten Sitzens auf einem unbeweglichen Bürostuhl tatsächlich auf die Erfindung der Schreibmaschine zurück. Diese Erklärung liefert die amerikanische Architektin Galen Cranz in ihrer Kulturgeschichte des Stuhls (1998). Um die Tasten der mechanischen Schreibmaschine präzise und kraftvoll anschlagen zu können, habe die Schreibkraft von anno dazumal aufrecht und still sitzen müssen. Dazu zwingen uns die heutigen Bürogeräte und Büromöbel keineswegs. Wir dürfen es uns bequem machen und uns über das verinnerlichte «Sitz gerade!» förmlich hinwegsetzen.

3. Wechseln Sie öfters die Sitzhaltung.

Rückenschmerzen nach langem Sitzen müssen nicht bedeuten, dass Sie falsch gesessen haben, sondern rühren meist einfach daher, dass Sie zu lange in derselben Sitzhaltung verharrt haben. Gönnen Sie dem Rücken Abwechslung, indem Sie zum Beispiel den Oberkörper mal gerade aufrichten, mal in die Rückenlehne sinken lassen und sein Gewicht mal auf die linke, mal auf die rechte Gesässhälfte verlagern. Selbst wie ein Nussgipfel auf dem Stuhl zu lümmeln, ist eine Sitzposition, die Gesundheitsfachpersonen als eine zeitweilige Entlastungshaltung tolerieren und empfehlen.

4. Unterbrechen Sie das lange Sitzen.

Das eigentliche Problem des Sitzens liegt nicht in einer bestimmten Sitzhaltung, sondern im allgemeinen Bewegungsmangel der sitzenden Lebensweise. Um dem abzuhelfen, richten Sie den Büroarbeitsplatz am besten so ein, dass Sie zwischendurch immer wieder aufstehen müssen, um etwa nach der Schere, dem Klebestreifen oder sonst einem Büromaterial zu greifen. Auch manche Telefongespräche lassen sich im Stehen führen. Oder Sie überbringen eine kurze Mitteilung persönlich ins Büro nebenan, statt zu mailen. Auch höhenverstellbare Schreibtische sind willkommene Sitz-Unterbrecher. Das abwechselnde Arbeiten im Sitzen und Stehen kann das tägliche Sitzpensum um Stunden reduzieren.

5. Praktizieren Sie Bürogymnastik.

Auch wer im Sitzen arbeiten muss, kann sich zwischendurch vom Stuhl erheben, seinen Rücken dehnen und Arme und Beine kurz ausschütteln. Gesundheitsfachpersonen empfehlen, stündlich kurze Bewegungspausen einzulegen. Zudem gibt es zahlreiche Anregungen zu Bürogymnastik. Eine sehr schöne Zusammenstellung bietet zum Beispiel die Suva.

Fit-Programm für Vielsitzer

6. Experimentieren Sie mit Kissen.

Abends sitzt man viel auf Polstermöbeln, die eine niedrige und weiche Sitzfläche haben. Lange Fernsehabende enden deswegen gerne mit steifen Rückenmuskeln oder Schmerzen im Kreuz. Dagegen helfen pralle kleine Kissen, die man sich in den Nacken oder ins Kreuz stopfen kann. Zudem nivellieren Keilkissen eine nach hinten abschüssige Sitzfläche. Sie finden ein hochwertiges Keilkissen im Shop der Rheumaliga Schweiz ebenso wie weitere kissenförmige Produkte wie das Lendenkissen für Autositze und Bürostühle, das Ballkissen inklusive Pumpe oder das grosse Entspannungskissen.

7. Setzen Sie sich wieder einmal auf den Boden.

Zuhause haben Sie viele Möglichkeiten, das Sitzen zu variieren. Stricken, nähen, lesen oder fernsehen kann man auch am Boden, den Rücken frei erhoben oder angelehnt ans Sofa. Schon allein, sich auf den Boden zu setzen und wieder vom Boden aufzustehen, ist ein gutes Alltagstraining, vor allem für die Gelenkbeweglichkeit der Beine, die vom vielen Sitzen auf Stühlen unterfordert werden.

Anregungen zu einem abwechslungsreichen Sitzen am Boden finden Sie in den Zeichnungen, die der Anthropologe Gordon Hewes auf seinen vielen Forschungsreisen angefertigt hat. Sie veranschaulichen, wie Menschen in unterschiedlichen Kulturen ohne Stuhl und Sessel die Ruhepausen verbringen. Zur Nachahmung empfohlen!

Think outside the Chair
© Nutritious Movement (USA)

Anmerkungen

  1. Vallance JK, Gardiner PA, Lynch BM, D'Silva A, Boyle T, Taylor LM, Johnson ST, Buman MP, Owen N. Evaluating the Evidence on Sitting, Smoking, and Health: Is Sitting Really the New Smoking? Am J Public Health. 2018 Nov;108(11):1478-1482. https://doi.org/10.2105/AJPH.2018.304649 PMID: 30252516
  2. O’Sullivan PB, Caneiro J, O’Sullivan K, Lin I, Bunzli S, Wernli K, O’Keeffe M. Back to basics: 10 facts every person should know about back pain. British Journal of Sports Medicine 2020;54:698-699. https://bjsm.bmj.com/content/54/12/698

Bewegungsmangel als Risiko für Rückenschmerzen

Regelmässige körperliche Bewegung wirkt schmerzlindernd. Anregung und Anleitung dazu finden Sie in verschiedenen Publikationen der Rheumaliga Schweiz sowie in den Kursen der Rheumaliga in Ihrer Region.

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