Die Rheumaliga Schweiz widmete sich im Rahmen des Welt-Rheuma-Tages vom 12. Oktober 2023 dem Thema «Rheuma und Sexualität». Denn Zärtlichkeit, Sex und Partnerschaft sind menschliche Grundbedürfnisse, jedoch können chronische Schmerzen und andere Einschränkungen der Erfüllung dieser Bedürfnisse im Weg stehen. Die klinische Sexologin Christa Gubler und die Rheumabetroffene Silvia Jauch sprachen im Webinar über krankheitsbedingte Lusthemmer und gaben anschauliche Tipps, wie neue Erfahrungen in Sachen Zärtlichkeit, Intimität und Verbundenheit entstehen können.
Webinar verpasst? Kein Problem, hier können Sie das einstündige Online-Seminar nachschauen:
Drei wichtige Grundsätze
Die beiden Expertinnen heben im Webinar drei wichtige Punkte für ein erfülltes Sexleben, Zweisamkeit und Intimität hervor.
1. Krankheitsbedingte Veränderungen annehmen und als Chance sehen
«Erhalten, was gut geht, ändern, was Probleme verursacht. Fokussieren auf Stärken und Möglichkeiten», referiert Sexologin Crista Gubler. Es sei nicht zielführend, sich immer die Art von sexuellem Zusammensein vor Augen zu führen, die durch die rheumatische Erkrankung nicht mehr möglich ist. Zudem solle man möglichst viel über die eigene Erkrankung lernen, damit man besser mit Einschränkungen umgehen kann.
Tipp: Bei akuten Schmerzen, die keine Berührung zulassen, sich gemeinsam ins Bett legen und versuchen, die unmittelbare Nähe zur anderen Person wahrzunehmen. So spürt man die Wärme, die der andere Körper ausstrahlt und kann Zweisamkeit geniessen. Oder man berührt, bewundert und liebkost den Partner, die Partnerin nur mit den Augen.
2. Kommunizieren
«Wenn man gemeinsam im Bett ist und die Hände funktionieren wegen eines Schubs nicht wie gewohnt, dann sollte man das direkt ansprechen und andere Lösungen finden. Es ist nicht einfach, in diesen Momenten Schwäche zuzulassen. Aber es kann auch einen schönen Effekt haben, weil man sehr viel Nähe zulässt», erklärt Silvia Jauch. Unausgesprochene Probleme können sich in einer Beziehung hochschaukeln. Daher ist es umso wichtiger, dass man sich mitteilt und Herausforderungen offen anspricht. Dies gilt übrigens nicht nur für die erkrankte Person, sondern auch für den Gegenpart: «Schonverhalten des Partners, der Partnerin kann ebenfalls zu Missverständnissen und Enttäuschen führen, auch wenn es gut gemeint ist», vervollständigt Christa Gubler.
Tipp: Sie wissen nicht, wie Sie diese Herausforderungen ansprechen sollen? Hier einige Gesprächseinstige: Mir fällt es schwer, aber ich möchte mit dir über etwas sprechen. Ich habe XY gelesen und wollte mit dir darüber sprechen. Bei XY fühle ich mich unwohl. Wie fühlt es sich für dich an? Hast du Angst mir weh zu tun?
3. Vorausplanen für komfortablen Sex
«Sex einzuplanen, hat Vorteile: Man kann sich im Voraus darauf freuen, es sich zeitlich passend einrichten und ihn besser geniessen», so Christa Gubler. Auch wenn es auf den ersten Moment etwas unromantisch klingt und nicht dem gängigen Bild der Gesellschaft entspricht.
Tipps: Keine Anstrengung davor. Teilen Sie sich ihre Kräfte ein. Geniessen Sie als Vorspiel gemeinsam ein warmes Bad, dass Sie entspannt und gegen schmerzende Gelenke Abhilfe schaffen kann. Tasten Sie sich langsam an Berührungen oder Stellungen und ihre Intensität heran und verweilen Sie nicht zu lange in einer Stellung.
In Stimmung kommen
In einer nicht-repräsentativen Umfrage hat die Rheumaliga Schweiz Rheumabetroffene zu Ihrer Sexualität befragt. Schmerzen waren eine der am häufigsten genannten Hemmschwellen, die den Zugang zu Intimität verbauen. Wie also in Stimmung kommen? Es gibt viele erotische Bücher, Filme und Serien, die einem dabei helfen können. Unsere Expertinnen haben hierzu eine kleine, persönliche Liste zum Ausprobieren erstellt:
Sexratgeber
- «Sex and Chronic Illness: The Ultimate Guide» von Cory Silverberg und Liz Langley
- «Intimacy with Chronic Illness: A Couple's Guide» von David B. Morris, M.D. und Marilee Sprenger
- «Sexual Health and Arthritis» von Laurann G. Yocom, Ph.D., und John G. Yocom, M.D.
- «Come as You Are: The Surprising New Science That Will Transform Your Sex Life» von Emily Nagoski, Ph.D.
- «Becoming Cliterate: Why Orgasm Equality Matters and How to Get It» von Laurie Mintz, Ph.D.
Erotische Romane
- «Dirty Secrets» von J. Kenner
- «Obsessed: Bis du mein bist» von Don Both und Maria O'Hara
- «After passion» von Anna Todd
Enttabuisieren
Mit dem Blick unter die Bettdecke will die Rheumaliga Schweiz alte Tabus aufbrechen und Rheumabetroffenen Informationen sowie Tipps liefern für ein selbstbestimmteres Leben mit Rheuma. Falls Sie weiterführende Fragen haben, steht Ihnen die Rheumaliga telefonisch unter 044 487 40 00 oder via Mail: info@rheumaliga.ch zur Verfügung.
Das waren die Expertinnen
Lic. phil. Christa Gubler ist Psychotherapeutin, klinische Sexologin und Einzel-, Paar- und Familientherapeutin. Die Ausbildungen als klinische Sexologin ermöglichen ihr, mit allen Klientinnen und Klienten, einzeln oder zu zweit, Probleme bezüglich der Sexualität anzugehen und nach Lösungen zu suchen. Sie arbeitet seit 30 Jahren in ihrer eigenen Praxis im Herzen von Zürich und nimmt Aufgaben als Dozentin in verschiedenen Institutionen wahr.
Silvia Jauch ist Botschafterin der Rheumaliga Schweiz. Sie ist selbst von Rheuma betroffen und lebt mit der Diagnose rheumatoide Arthritis und Psoriasis Arthritis. Sie führt den deutschsprachigen Instagram-Kanal der Rheumaliga und teilt dort ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit der Community.