Zitrone besser mit Schale!

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Saft schlägt Schale: Wie man aus frischem Zitronensaft, Wasser und einer Zugabe wie etwas Honig, Ingwer oder Knoblauch ein morgendliches Zitronenwasser zubereitet, das den Stoffwechsel ankurbeln und die Leber entgiften soll, zeigen dermassen viele YouTube-Videos und wird so häufig beschrieben, dass man denken könnte, der Saft sei ein Wundermittel und die Schale nutzlos.

Dieses Schwarz-Weiss-Denken ist falsch und auch ohne Basis in der traditionellen Heilkunde. Die Zitronenschale gilt sowohl in der ayurvedischen wie auch in der traditionellen chinesischen Medizin als eine Arznei, deren Potenzial moderne Forschungen zunehmend entschlüsseln. Nur zum Entsaften ist die Zitrone im Grunde zu schade. Denn mit der weggeworfenen Schale landen nicht nur viele Vitamine im Abfall, sondern auch wertvolle Mineralstoffe wie Kalium, Calcium und Magnesium, darmfreundliche Nahrungsfasern, ätherische Öle sowie entzündungs- und krebshemmende Flavonoide.

Wenn Sie die Zitrone wirklich nutzen wollen, sollten Sie immer öfter alle ihre Teile nutzen. Und geniessen. Denn die Schale enthält sehr viel mehr und einen viel runderen Zitronengeschmack als der Saft mit seiner extremen Säure. Auch die Vitalstoffkonzentration ist in der intensiv aromatischen Schale deutlich höher. Vergleichen Sie zum Beispiel, wie viel mehr Vitamin C, Kalium, Calcium und Magnesium 100 Gramm Schale im Vergleich zu 100 Gramm Saft enthalten:1

NährstoffZitronensaftZitronenschale
Vitamin C39 mg
130 mg
Kalium100 mg160 mg
Calcium6 mg
130 mg
Magnesium6 mg
15 mg
Zitronenschale Ecorce de citron Scorza di limone i Stock 471516054

Wie gut kennen Sie die Zitrone?

Das Flavedo

Bei der Zitronenschale unterscheidet man das Flavedo vom Albedo. Das Flavedo (von lateinisch flavus = gelb) bezeichnet die äussere, gelbe Schale mit der feinporigen Oberfläche. Unzählige kleine Drüsen im Flavedo bunkern ätherische Öle zur Abwehr von Pilzen, Bakterien, Viren und Insekten. Das frische Flavedo (Limonis flavedo recens) ist eine amtlich geregelte Arzneidroge. Gemäss dem Schweizer Arzneibuch (Pharmacopoea Helvetica) muss es eine Mindestmenge ätherischen Öls enthalten und möglichst frei von Albedo sein.2

Das Albedo

Abgeleitet von lateinisch albus = weiss, bezeichnet Albedo das weisse, faserig-schwammige Schalenmaterial unter dem Flavedo. Je nach Sorte ist es mal dünn, mal voluminös, aber wegen seines herben, leicht bitteren Geschmackes generell der unbeliebteste Teil der Zitrone. Das ist bedauerlich, denn das Albedo ist reich an Pektin. Statt vom Albedo spricht man auch vom Mesokarp (wörtlich von der «Mittelfrucht») zwischen Exokarp («Aussenfrucht») und Endokarp («Innenfrucht»).

Das Endokarp

Kaum einer Beschreibung bedarf das Endokarp oder Fruchtfleisch der Zitrone. Es besteht aus unzähligen kleinen Saftschläuchen, die vor allem Wasser, Kohlenhydrate und Zitronensäuren enthalten. Beim Auspressen bleiben vom Endokarp die Häute zurück, die es in längliche Segmente gliedern, sowie die Zitronenkerne. Diese sind ungiftig und dürfen genauso genossen werden wie die mikronährstoffreichen Häute.

Wichtige Inhaltsstoffe und Wirkungen der Zitrone

Man kennt in der Pflanzenmedizin den sog. Entourage-Effekt. Er besagt, dass die Pflanzeninhaltsstoffe zusammenspielen und gewisse gesundheitsfördernde oder therapeutische Eigenschaften durch die Kombination verschiedener Substanzen erst entstehen. Das gilt für die Hanfpflanze (Cannabis) und Curcuma genauso wie für die Zitrone.

Viele Wirkungen der Zitrone gehen auf das Zusammenspiel verschiedener Inhaltsstoffe zurück, von Vitaminen, Mineralstoffen, Terpenen, Flavonoiden usw., die sich besonders in der Zitronenschale konzentrieren. Das gilt vor allem für die antioxidativen, die immunstimulierenden, die krebshemmenden, die antimikrobiellen und die antimykotischen Eigenschaften der Zitronenschale. Antimykotisch bzw. antimikrobiell bedeutet, dass Substanzen der Zitronenschale Pilze bzw. Bakterien, Viren und Parasiten bekämpfen, sogar antibiotikaresistente Stämme.3

So viele gesundheitliche Wirkungen können dazu verleiten, es mit der Zitrone zu übertreiben in der Meinung, mehr von Gutem sei noch besser und noch gesünder. Aber im Übermass genossen, können einige Substanzen der Zitrone die Schleimhäute reizen, den Mund austrocknen, den Zahnschmelz angreifen oder Sodbrennen verursachen.

Vitamin C gegen freie Radikale und Entzündungen

Die Zitrone enthält neben Vitaminen der B-Gruppe vor allem reichlich Vitamin C. Vitamin C ist ein hochwirksames Antioxidans gegen freie Radikale und trägt zur Entzündungshemmung bei, denn freie Radikale sind oder verhalten sich wie Entzündungsherde.

Die offiziell empfohlene Vitamin-C-Zufuhr beträgt für gesunde Männer 110 mg und für gesunde Frauen 95 mg pro Tag.4 Unbestritten ist ein Mehrbedarf bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen, die mit oxidativem Stress einhergehen, wie namentlich einer Arthritis. Komplementärmedizinische Vitamin-Therapien arbeiten gerne mit 1000 mg bis 5000 mg Vitamin C (ausnahmsweise mit mehr). Sogar Wikipedia erklärt eine Tageszufuhr von bis zu 5000 mg Vitamin C für kurzzeitig unbedenklich.5

Um eine so hohe Zufuhr zu erreichen, werden in der Regel Vitamin-C-Kapseln eingenommen. Aber auch die Zitrone ist eine quantitativ und qualitativ überzeugende Vitamin-C-Quelle. 100 Gramm decken mit 50 mg Vitamin C schon den halben offiziellen Tagesbedarf. Zudem ist das Vitamin C der Zitrone keine reine Ascorbinsäure, die die Schleimhäute reizen kann, sondern über Limonoide (eine Gruppe von Bitterstoffen) an bioaktives Calcium gekoppelt, was die Verträglichkeit und die Bioverfügbarkeit beider Vitalstoffe steigert, von Calcium und Vitamin C.6

Seine Vitamin-C-Speicher täglich zu füllen, ist auch deshalb wichtig, weil Vitamin C als Co-Faktor an sehr vielen Stoffwechselprozessen beteiligt ist. Zum Beispiel an der körpereigenen Abwehr und der Wundheilung, am Aufbau von kollagenfaserigem Bindegewebe (Faszien), an der Aufnahme von Eisen, an der Regulierung des Fettstoffwechsels, an der Blockade krebserregender Nitrosamine oder an der Bildung der Botenstoffe Dopamin und Adrenalin.

Mineralstoffe gegen die Übersäuerung

Obwohl sauer schmeckend, zählt die Zitrone gemäss der Säure-Basen-Theorie zu den basenbildenden Nahrungsmitteln, weil sie beträchtliche Mengen der basischen Mineralstoffe Kalium, Magnesium, Calcium und Natrium aufweist. Diese sind in der ganzen Zitrone enthalten, aber konzentrieren sich in der Schale. So stecken in 100 Gramm Zitronenschale ungefähr zwanzigmal mehr Calcium als in 100 Gramm Zitronensaft, und dieses Calcium ist dank seiner hohen Bioverfügbarkeit vom Körper besonders leicht aufzunehmen und nahezu vollumfänglich zu verwerten.

Pektin: ein darmfreundliches Präbiotikum

Wie alle Zitrusfrüchte, enthält auch die Zitrone reichlich wasserlösliche Nahrungsfasern wie vorrangig das darmfreundliche Pektin. Pektin ist hauptsächlich im Albedo enthalten, wo es die Aufgabe hat, als Zellkitt für Stütze und Zusammenhalt zu sorgen.

Einmal im menschlichen Darm, wirkt Pektin als ein Präbiotikum. Es düngt die Darmflora und fördert das Wachstum der nützlichen Darmbakterien. Auf diese Weise kann Pektin helfen, angegriffene Darmschleimhaut zu regenerieren. Ausserdem zeigen Studien, dass Zitruspektin giftige Schwermetalle wie Cadmium, Arsen und Blei zu binden und auszuleiten vermag.7

Flavonoide zur Entzündungshemmung

Ebenfalls für den Genuss der kompletten Zitrone sprechen die Flavonoide, die sich vor allem in der Schale konzentrieren. Epidemiologische Studien (das heisst Untersuchungen ganzer Bevölkerungsgruppen) ebenso wie tierexperimentelle Studien zeigen, dass Flavonoide vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einigen Krebsarten schützen.

Wie man aus weiteren Studien weiss, entfalten Zitrusflavonoide entzündungshemmende Wirkungen. Sie hemmen die Bildung und die biologische Aktivität der entzündungsfördernden Arachidonsäure sowie der entzündungsfördernden Eicosanoide (Gewebehormone) Prostaglandin E2, Prostaglandin F2 und Thromboxan A2.8

Die am häufigsten vorkommenden Zitrusflavonoide heissen Hesperidin, Naringin, Neohesperidin und Nobiletin. Sie haben alle eine antioxidative, entzündungshemmende und krebsvorbeugende Wirkung. Sie überwinden die Blut-Hirn-Schranke und schützen speziell das Gehirn vor freien Radikalen, Entzündungen und Nervengiften.9

Zitronen citrons limoni

Praktische Tipps zur Zitrone

Zitronenwürfel

Um sich das ganze gesundheitsfördernde Potenzial der Zitrone zu erschliessen, legen Sie gewaschene Bio-Zitronen ins Gefrierfach. Sobald sie gefroren sind, reiben Sie sie an einer Metallreibe und füllen die geriebene Masse in eine Eiswürfelform, die sie wiederum einfrieren. So haben Sie immer Zitronenwürfel portionenweise zur Verfügung.

Wenn Sie einen Hochleistungsmixer haben, geht es noch einfacher: frische gewaschene Bio-Zitronen vierteln und zusammen mit etwas Zitronensaft oder Wasser 30 Sekunden lang mixen. Dann die Masse in eine Eiswürfelform geben und einfrieren.

Wenn Sie abends zwei, drei Zitronenwürfel in ein Glas Wasser geben, können Sie andernmorgens ein Zitronenwasser aus der ganzen Zitrone geniessen (mindestens 30 Minuten vor dem Zmorge). Dieses Zitronenwasser schmeckt so ausgewogen, dass Sie kein Bedürfnis haben, es zu süssen.

Sollten Ihre Zähne auf Zitronensäure empfindlich reagieren, spülen Sie den Mund gleich nach dem Trinken von Zitronenwasser gründlich mit Wasser. Oder konsumieren Sie Zitronenwasser mit einem Trinkhalm.

Zitronenwürfel lassen sich auch in der Küche verwenden. Sie werden verblüfft sein, wie viel besser ein Risotto schmeckt, dem Sie gegen Ende der Kochzeit einen Zitronenwürfel beigegeben haben. Zitronenwürfel verleihen auch vielen Suppen und Saucen das gewisse Etwas.

Bio-Zitronen

Zitronen aus konventionellem Anbau sind mit Pflanzenschutzmitteln belastet, die teilweise bis ins Endokarp eindringen. Bevorzugen Sie deshalb Zitronen aus biologischem Anbau und waschen Sie sie mit sehr warmem Wasser ab. Denn auch die Schale von Bio-Zitronen kann mit Wachs behandelt worden sein. Um auf Nummer sicher zu gehen, legen Sie die Zitronen vor dem Waschen in eine Schüssel mit Wasser und etwas Speisenatron (Natriumhydrogencarbonat).

Bio-Zitronen sind im Sommer grün statt gelb, aber trotzdem reif. Zitronen brauchen nämlich kühle Nächte, um gelb zu werden, und diese fehlen im Sommer. Zitronen aus konventionellem Anbau sind hingegen immer gelb, weil sie im Sommer mit Ethylen begast werden, damit sie gelb werden.

Übrigens lohnt es sich, die Preise für Bio-Zitronen in verschiedenen Supermärkten zu vergleichen.

Lagerung

Zitronen sollte man kühl und dunkel aufbewahren, idealerweise bei einer Temperatur zwischen 10 und 15 °C, also in einer Speisekammer oder im Keller, nicht im Kühlschrank. Etwas Papier unter den Zitronen kann überschüssige Feuchtigkeit aufnehmen und so der Schimmelbildung vorbeugen. Andererseits gibt es auch die Empfehlung, Zitronen in Wasser zu legen. Sie sollen sich in der Nässe noch länger lagern lassen.

Fachliche Prüfung: Sybille Binder, dipl. Ernährungsberaterin FH, Institut für integrative Naturheilkunde Nhk
Autor: Patrick Frei, Rheumaliga Schweiz
Veröffentlichung: 23. August 2023

Anmerkungen

  1. Die Angaben zu den Nährstoffen des Zitronensaftes sind der Schweizer Nährwertdatenbank entnommen, abrufbar über diesen Link. Letztmals eingesehen am 18.08.2023. Die Angaben zu den Nährstoffen der Zitronenschale stammen von der gemeinnützigen European Food Information Resource (EuroFIR), die uns das Max-Rubner-Institut in Karlsruhe am 31.07.2023 auf Anfrage zukommen liess. Es handelt sich um einen Zusammenzug aus fünf Nährstoffdatenbanken aus Neuseeland, den USA, Grossbritannien, Norwegen und Dänemark mit teils übereinstimmenden, teils aber auch abweichenden Werten, die vermutlich vor allem auf unterschiedliche Zitronensorten bzw. Albedo-Volumina zurückgehen.
  2. PharmaWiki: Zitrone. Abrufbar über diesen Link. Letztmals eingesehen am 18.08.2023.
  3. Healthline: 9 Benefits and Uses of Lemon Peel (19.08.2019). Abrufbar über diesen Link. Letztmals eingesehen am 18.08.2023.
  4. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: Vitamin C. Abrufbar über diesen Link. Letztmals eingesehen am 18.08.2023.
  5. Wikipedia: Ascorbinsäure. Abrufbar über diesen Link. Letztmals eingesehen am 18.08.2023.
  6. William, Anthony: Medical Food, München 4. Aufl. 2017, S. 160.
  7. Eliaz I, Hotchkiss AT, Fishman ML, Rode D. The effect of modified citrus pectin on urinary excretion of toxic elements. Phytother Res. 2006 Oct;20(10):859-64. doi: 10.1002/ptr.1953. PMID: 16835878. Abrufbar bei PubMed. – Zhao ZY, Liang L, Fan X, Yu Z, Hotchkiss AT, Wilk BJ, Eliaz I. The role of modified citrus pectin as an effective chelator of lead in children hospitalized with toxic lead levels. Altern Ther Health Med. 2008 Jul-Aug;14(4):34-8. Erratum in: Altern Ther Health Med. 2008 Nov-Dec;14(6):18. PMID: 18616067. Abrufbar bei PubMed.
  8. Benavente-García O, Castillo J. Update on uses and properties of citrus flavonoids: new findings in anticancer, cardiovascular, and anti-inflammatory activity. J Agric Food Chem. 2008 Aug 13;56(15):6185-205. doi: 10.1021/jf8006568. Epub 2008 Jul 2. PMID: 18593176.
  9. Hwang SL, Shih PH, Yen GC. Neuroprotective effects of citrus flavonoids. J Agric Food Chem. 2012 Feb 1;60(4):877-85. doi: 10.1021/jf204452y. Epub 2012 Jan 23. PMID: 22224368. doi: 10.1021/jf204452y

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