Sie ist keine olympische Disziplin, kein Sportverein widmet sich ihrer Pflege, und kein Gym hat sie im Kursprogramm: die Alltagsbewegung. Erfahren Sie in diesem Beitrag, was die Alltagsbewegung ausmacht, wie Sie sie praktizieren und welchen gesundheitlichen Nutzen Sie daraus ziehen.
Menschen mit Rheuma bekommen von allen Seiten zu hören: «Sie sollten sich bei Gelenkschmerzen erst recht bewegen! Erhöhen Sie das Aktivitätsniveau! Treiben Sie Sport!» Aber wie sich aufraffen, wenn die Schmerzen die Oberhand haben? Wenn die chronische Erschöpfung oder die Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie jede Lust auf Bewegung vergällen?
Dann wählen Sie einen anderen Weg, fernab von Fitnessprogrammen und Trainingsplänen: Hereinspaziert ins Reich der Alltagsbewegung!
Was ist Alltagsbewegung?
Unter diesen Begriff fallen alle körperliche Aktivitäten, die ein wenig mehr Energie erfordern, als Sie im Ruhezustand verbrauchen. Dabei erhöht sich Ihre Herzfrequenz, und Sie produzieren mehr Körperwärme. Es muss also schon etwas mehr sein als ein gemütlicher Stadtbummel, ein langsamer Spaziergang oder das Einkaufen im Supermarkt, denn bei derlei Aktivitäten bleiben Sie noch in der Komfortzone.
Auf der anderen Seite ist die Alltagsbewegung weniger fordernd und in der Form freier als ein Training, das (laut internationaler Definition von englisch «exercise») geplant, strukturiert, repetitiv und zielgerichtet ist. Alltagsbewegung braucht nur wenig Organisation, soll in einen normalen Tag passen und kann vielerlei Gestalt annehmen, wie zügiges Spazieren, Treppensteigen, bewegungsbetonte Haus- und Gartenarbeiten oder etwas gymnastische Bewegung nebenher, während Sie fernsehen.
Alltagsbewegung darf ganz gewöhnlich sein. Oder auch kreativ. Wichtig ist, dass Sie damit keine Fitnessziele erreichen müssen. «Der Weg ist das Ziel» gilt auch für die Alltagsbewegung, und Sie werden merken, wie Sie nach und nach ein besseres Körpergefühl und mehr Vertrauen in die eigene Fähigkeit gewinnen, aktiv zu sein.
Tipps und Ideen zu mehr Alltagsbewegung
Um gesundheitsfördernde Effekte zu erzielen, sollten Sie nach allgemeiner Empfehlung pro Woche auf eine Summe von 150 Minuten (zweieinhalb Stunden) Alltagsbewegung kommen.
Dabei müssen Sie keine Zehn-Minuten-Päckchen schnüren. Diese Empfehlung für ein Bewegungsminimum wurde aufgegeben. Jede Alltagsbewegung kann aufs Bewegungskonto einzahlen, dauere sie auch nur vier, fünf Minuten.
Zu Hause
Wäsche aufhängen, Fenster putzen, staubsaugen oder den Küchenboden feucht aufnehmen: Versuchen Sie, täglich kleine Haushaltsarbeiten zu erledigen. Sie können dazu auch schmissige Musik auflegen und sich davon in Schwung bringen lassen.
Platzieren Sie eine Yogamatte oder Fitnessbänder da, wo Sie im Wohnzimmer ohne Umstände danach greifen können. So fällt es leichter, den Körper zu bewegen, während Sie fernsehen oder Musik hören.
Sie würden gerne, aber trauen sich nicht öffentlich? Dann tanzen Sie daheim! Tanzen ist ein wunderbares Herz-Kreislauf-Training. Legen Sie Ihre Lieblingsmusik auf und bewegen Sie sich, bis sie warm bekommen.
Am Arbeitsplatz
Richten Sie den Arbeitsplatz nicht allzu bequem ein. Platzieren Sie gewisse Utensilien, die Sie nicht ständig brauchen, so, dass Sie gezwungen sind, immer wieder aufzustehen, um sie zu holen und zu versorgen.
Unterbrechen Sie das Sitzen stündlich mit etwas Bewegung. Wenn möglich, arbeiten Sie an einem höhenverstellbaren Schreibtisch abwechselnd sitzend und stehend.
Die E-Mail wurde nicht erfunden, um das Gespräch von Büro zu Büro zu unterbinden. Überbringen Sie die eine oder andere Mitteilung persönlich.
«Sitzung» kommt von «sitzen», geht aber auch im Stehen und dauert dann meist nur halb so lange. Übrigens lassen sich kleine Meetings auch in Form eines gemeinsamen Spazierganges durchführen.
Nehmen Sie sich mittags Zeit fürs Essen, aber nutzen Sie die halbe Mittagspause für einen flotten Spaziergang.
Unterwegs
Sie fahren Auto? Dann suchen Sie nicht nach der perfekten Parklücke ganz nah am Ziel, sondern parkieren in einiger Entfernung und spazieren den restlichen Weg. Oder sparen Sie sich das Geld für die Waschstrasse und verpassen Sie dem Wagen eine manuelle Reinigung.
Wenn möglich, fahren Sie ein- oder zweimal pro Woche mit dem Velo zur Arbeit. Oder steigen Sie ein oder zwei Haltestellen früher aus dem Bus oder Tram, um den Rest zu Fuss zurückzulegen.
Überlassen Sie den Lift denen, die ihn brauchen! Das Treppensteigen erhöht nicht nur den Puls, sondern trainiert auch wichtige Muskeln im Gesäss und den Beinen.
Verzichten Sie in den Ferien auf die Bustour, wenn Sie ein Touristenziel ebenso gut zu Fuss erkunden können. Die zusätzlichen Schritte lassen Sie Strassen, Treppen und Parks so erleben, wie es die Einheimischen tun.
Freizeit
Es gibt Schmerzbetroffene, die sich extra einen Hund zulegen, um mehrmals täglich spazieren gehen zu müssen. Vielleicht können Sie sich den Hund eines Nachbarn ausleihen?
Verabreden Sie sich mit anderen zu regelmässigen Spaziergängen. Der sanfte Gruppendruck wirkt Wunder gegen Kopfweh, Regenwolken und andere Ausreden.
Spielen Sie aktiv mit Ihren Enkelkindern. Ein paar Jahre später werden diese Sie bei Problemen mit dem Smartphone oder dem Computer sicher gerne beraten.
Laub zusammenrechen, den Rasen mähen, Erden mischen und Dünger einarbeiten: All das Hocken, Bücken und Heben im Garten ist wertvolle Alltagsbewegung, wenn Sie sie auf kleine Einheiten unter der Woche verteilen, statt alles am Samstag erledigen zu wollen.
Vorteile regelmässiger Bewegung
Sich regelmässig im Alltag zu bewegen, erhöht die Herz-Kreislauf-Gesundheit, stärkt die muskuläre Fitness und verringert viele der mit Rheuma verbundenen Gesundheitsrisiken wie Bluthochdruck, Diabetes oder depressive Verstimmung.
Gesunde Knochen
Gewichtstragende Aktivitäten wie zügiges Gehen, Wandern oder Tanzen schmieren die Gelenke, stärken den Knorpel und fördern die Knochendichte und -struktur. Sie können auf diese Weise eine Osteoporose sowie Arthrosen verhindern oder deren Entwicklung verlangsamen.
Stärkung des Immunsystems
Bewegung stärkt die Abwehrkräfte, die durch eine chronische Erkrankung, die medikamentöse Immunsuppression oder auch Nebenwirkungen geschwächt werden. Sie reduzieren so das Risiko für Infektionen.
Rückenschmerzen lindern
Wer Rheuma hat, hat oft auch chronische Rückenschmerzen. Regelmässige Bewegung kann die Muskeln, die die Wirbelsäule stützen, stärken und auf diese Weise Rückenschmerzen lindern. Die Wirkung lässt sich mit spezifischen Übungen und rückenfreundlichem Alltagsverhalten verstärken. Anleitung dazu gibt der Rheumaliga-Kurs Active Backademy.
Sturzgefahr reduzieren
Alltagsbewegung zusammen mit Übungen fördert die Balance und die Koordination. Zusätzlich können Sie mit einem Training der Beinmuskulatur mehr Stabilität gewinnen. Auch dazu finden Sie bei der Rheumaliga Kurse: Everfit und Osteogym.