Prolia® und Evenity®: Wie den Rebound verhindern?

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Osteoporose Wirbelsaule

Die Osteoporose-Medikamente Prolia® und Evenity® sind zwei hochwirksame Biologika, die zuverlässig Knochenmasse bilden. Setzt man sie ab, geht die gewonnene Knochenmasse allerdings wieder verloren und drohen Wirbelknochenbrüche. Man spricht von einem Rebound (englisch für Rückprall). Lesen Sie dazu die Einschätzungen und Empfehlungen von Prof. Dr. med. Daniel Aeberli. Er ist Leitender Arzt Rheumatologie am Spital Emmental.

Prolia®

Anlässlich seiner Markteinführung galt Prolia® (Wirkstoffname: Desnosumab) als ein Hoffnungsträger der Osteoporose-Therapie. Denn Prolia® unterdrückt die Aktivität der knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten) weit stärker, als dies die gängigen Bisphosphonate vermögen.

Sobald man das Medikament absetzt, kommt es allerdings zu einem Rebound: Knochenmasse und Knochendichte nehmen ab und führen in acht bis neun Monaten nach der letzten Prolia®-Gabe zu einem hohen Risiko für Wirbelkörperbrüche, sprich: zu einer schweren manifesten Osteoporose.

Typischerweise brechen den Betroffenen mehrere Wirbelknochen gleichzeitig. Diese Rebound-Frakturen verursachen schwere und schwer behandelbare chronische Rückenschmerzen.

Das Rebound-Risiko hatte sich schon vor der Zulassung (2010) in den klinischen Phase-2-Studien (2006/2008) abgezeichnet. Zufällig wurde man in der Schweiz auf den Rebound post Prolia® aufmerksam. Swissmedic informierte die Fachwelt 2016 und 2017 über das Rebound-Risiko, während es die FDA (Food and Drug Administration, USA) und die EMA (European Medicines Agency) bei einer Anpassung der Fachinformation und der Packungsbeilage bewenden liessen.

Prolia® wird vom US-amerikanischen Biotechunternehmen Amgen produziert. Um den Rebound-Effekt zu vermeiden, müssen davon alle sechs Monate 60 mg subkutan gespritzt werden (Injektionslösung in Fertigspritzen).

Aeberli Daniel
Prof. Dr. Daniel Aeberli

Rheumaliga Schweiz: Warum kommt es nach dem Absetzen von Prolia© zu einem Rebound-Effekt?

Daniel Aeberli: Prolia® bewirkt eine Totalblockade des Knochenabbaus. Wie eine intravitale Mikroskopie-Studie aus Australien aus dem Jahr 2019 zeigt, kommt es unter Prolia® zu einer Aufspaltung (Fission) grosser funktioneller Osteoklasten (knochenabbauender Zellen) in kleinere Osteoklasten, deren Aktivität von Prolia® völlig blockiert wird. Entfällt die medikamentöse Blockade, vereinigen sich die kleineren Zellen wieder zu grossen, mehrkernigen, sehr aktiven Riesenzellen, die dann den Knochen umso rascher abbauen.

Rheumaliga Schweiz: Man kennt einen Rebound-Effekt auch von anderen Medikamenten wie zum Beispiel Betablockern oder Benzodiazepinen. Hier kann man den Rebound durch Ausschleichen abmildern oder verhindern. Warum geht das nicht bei Prolia®?

Daniel Aeberli: Gute Frage! In all den Studien wurde meines Wissens nie untersucht, ob eine Reduktion der Dosis oder eine Verlängerung des Intervalls der Injektionen den Rebound abschwächen oder vermindern können. Es gibt nach meinem Kenntnisstand keine Forschung zu einem kontrollierten Ausschleichen von Prolia®.

Rheumaliga Schweiz: Was für eine Prolia®-Exit-Strategie empfehlen Sie?

Daniel Aeberli: Zur Nachbehandlung empfehlen sich Bisphosphonate wie Zoledronat (Aclasta®, Generika) oder Alendronat (Fosamax®, Fosavance®, Generika). Für beide Möglichkeiten hat mein Kollege Professor Olivier Lamy vom CHUV in Lausanne eine Empfehlung publiziert, «Stopping Denosumab» (2019). Darin rät er, fünf bis sechs Monate nach der letzten Prolia®-Injektion mit wöchentlich 70 mg Alendronat zu beginnen oder sechs Monate danach mit Zoledronat. Ich persönlich tendiere zur Zoledronat-Strategie: intravenös ab sechs Monaten nach der letzten Prolia®-Injektion. Zur Kontrolle der Nachbehandlung sind die Knochenumbaumarker (Crosslaps) alle drei bis sechs Monate zu messen.

Rheumaliga Schweiz: Prolia® darf nie ohne Nachbehandlung abgesetzt werden?

Daniel Aeberli: Absolut! Das Rebound-Risiko ist einfach zu gross.

Rheumaliga Schweiz: Zusätzlich zum Rebound-Risiko hat Prolia® gemäss Compendium folgende sehr häufige Nebenwirkungen (bei einer von zehn Personen): Schmerzen in den Armen und den Beinen sowie manchmal schwerwiegende Knochen-, Gelenk- und/oder Muskelschmerzen. Trotzdem wir dieses Medikament verschrieben?

Daniel Aeberli: Prolia® ist ein hochwirksames Arzneimittel, das zielgenaue Therapieerfolge erbringen kann, und allgemein gut verträglich. Andere Osteoporose-Medikamente haben ein vergleichbares Nebenwirkungsprofil. Ich befürworte deswegen keinen generellen Verschreibungstopp für Prolia®. Es gibt Fälle, wo seine zuverlässige Blockierung des Knochenabbaus von grossem Nutzen sein kann. Prolia® hat seine Daseinsberechtigung und in der modernen Osteoporose-Behandlung eine zentrale Stellung.

Evenity®

Der neueste Pfeil im Köcher der medikamentösen Osteoporose-Therapie heisst Evenity® (Wirkstoffname: Romosozumab). Als ein starkes Osteoanabolikum stimuliert Evenity® die Bildung neuer Knochensubstanz. Gleichzeitig wirkt es geringfügig antiresorptiv, das heisst hemmend auf den Knochenabbau.

Evenity® wird vom belgischen Pharma- und Biotechunternehmen UCB produziert und steht als eine Injektionslösung im fixfertigen Pen zur Verfügung. Swissmedic hat Evenity® 2020 zugelassen für die Therapie schwerer Osteoporosen bei Frauen, die nach der Menopause ein deutlich erhöhtes Risiko für Knochenbrüche zeigen und die noch keinen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben.

Rheumaliga Schweiz: Wie sind die bisherigen Erfahrungen mit Evenity®?

Daniel Aeberli: Wir machen damit gute Erfahrungen.

Rheumaliga Schweiz: Wie beurteilen Sie die kardiovaskulären Risiken?

Daniel Aeberli: Grundsätzlich würde ich Patientinnen mit einem kardiovaskulären Risiko nicht auf Evenity® umstellen. Patientinnen, die unter Evenity® Symptome entwickeln, die auf einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hindeuten, sind unverzüglich medizinisch abzuklären. Je nachdem muss man die Therapie abbrechen.

Rheumaliga Schweiz: Man darf eine Patientin nur ein Jahr lang mit Evenity® behandeln. Warum?

Daniel Aeberli: Aufgrund der günstigen Studiendaten für eine Behandlung in diesem Zeitraum. Ich interpretiere die Beschränkung auf ein Jahr als eine Vorsichtsmassnahme.

Rheumaliga Schweiz: Kommt es nach Evenity® ebenfalls zu einem Rebound-Effekt?

Daniel Aeberli: Ja, Studien zu spezifischen Knochenmarkern und zur Knochendichte zeigen ein signifikantes Rebound-Risiko nach dem Absetzen von Evenity®.

Rheumaliga Schweiz: Wie lauten die aktuellen Empfehlungen zu Nachbehandlung?

Daniel Aeberli: Es gibt die Möglichkeit, auf Prolia® zu wechseln oder auf ein herkömmliches Bisphosphonat umzustellen, um den Rebound nach Evenity® zu verhindern.

Dieser Beitrag wurde am 10. Juni 2024 letztmals aktualisiert.

Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten
Daniel Aeberli erklärt, keine Interessenverbindungen mit Amgen oder UCB zu haben.

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