Dank Speed-Dating zu besseren Forschungsresultaten?

vorlesen
Picture1

Die rheumatologische Abteilung des Universitätsspitals Zürich (USZ) unternimmt seit zwei Jahren grosse Anstrengungen, um die Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Patienten zu intensivieren. Zielgerichtete Veranstaltungen, wie etwa ein Speed-Dating oder Open Days, sollen effizientere Resultate bringen.

Text: Kristina Bürki, Muriel Elhai, USZ

In der Rheumatologie schreiten Diagnostik und Therapie stetig voran – Fortschritte, die nicht zuletzt der intensiven Zusammenarbeit aller Beteiligten zu verdanken sind: Nicht nur Ärztinnen, Ärzte und Wissenschaftler*innen tragen hierzu bei. Eine zentrale Rolle spielen die Patient*innen selbst, die beispielsweise als sogenannte Forschungspartner*innen (PRP / Patient Research Partner) wertvolle Perspektiven in die rheumatologische Forschung mit einbringen. Diese Art der Zusammenarbeit ermöglicht nicht nur ein besseres Verständnis der Erkrankungen aus Sicht der Betroffenen, sondern sorgt dafür, dass die Forschung praxisnah auf deren Bedürfnisse abgestimmt wird. Doch in vielen medizinischen Bereichen – beispielsweise auch in der Rheumatologie – ist diese wertvolle Partnerschaft zwischen Patient*innen und Forschenden noch nicht fest verankert.

2022 hat die Klinik für Rheumatologie am Universitätsspital Zürich (USZ) damit begonnen, ein Netzwerk aufzubauen, dem mittlerweile 60 Patient*innen als aktive Forschungspartner*innen angehören. Für die Koordination dieser engen Zusammenarbeit zwischen Forschung und Betroffenen sind Frau Dr. Elhai und Kristina Bürki verantwortlich. Zusammen mit dem Clinical Trial Center des USZ führten sie spezifische Schulungen für Forschungspartner*innen und Forschende zum Thema Patienteneinbindung in Forschungsprojekte durch.

Bisher wurden bereits zwei «Open Days» im Forschungslabor der Rheumatologie in Schlieren veranstaltet, die es den Teilnehmenden ermöglichten, spannende Einblicke in die Arbeit der Rheumatologie-Forschung des USZ zu gewinnen. So zeigten etwa Forschende den konkreten labortechnischen Ablauf bezüglich Gewebeproben. Auch bekam man eine Ahnung davon, wie steil der Weg zu einem neuen Medikament sein kann, wie viele kleine Schritte nötig sind – und wieviel Geduld und auch Frustrationstoleranz gefragt sind.

Intensivaustausch Forschende-Patient*innen

Um den Austausch noch weiter zu intensivieren, fand im März dieses Jahres der erste «Speed-Dating»-Event der Rheumatologie statt, bei dem 20 Forschende und Gesundheitsfachkräfte sowie 20 interessierte Patient*innen und Angehörige teilnahmen. Dabei waren folgende Krankheitsbilder vertreten: Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Rückenschmerzen, Systemische Sklerose, Ehlers-Danlos-Syndrom, Sjögren-Syndrom und axiale Spondyloarthritis. Ziel des Events war es, in einem offenen Dialog Wissen und Alltagserfahrungen auszutauschen. Vor allem aber konnten sich Forschende und Betroffene in einem dynamischen Format in vier Einzelgesprächen à je 20 Minuten intensiv über ihre Projekte, Standpunkte und Befindlichkeiten austauschen. Für einen möglichst zielgerichteten und nützlichen Austausch wurden die Patient*innen Forschenden eines entsprechenden Fachgebietes zugeteilt.

Die Wissenschaftler*innen erklärten ihre aktuellen Projekte in verständlicher Sprache, während die Patient*innen und Angehörigen wertvolle Einblicke in ihren Alltag und ihre Beeinträchtigungen gaben. Dieser Austausch schuf ein tieferes gegenseitiges Verständnis und ermöglichte es den Forschenden, die Relevanz ihrer Arbeit aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Insbesondere konnten so bestehende Versorgungslücken identifiziert und vorrangige Themen bestimmt werden, auf die sich die Forschung konzentrieren sollte, um aus Patient*innensicht relevant zu sein und den Alltag der Patient*innen zu verbessern.

Ein Forscher fasste seine Erkenntnisse so zusammen: «Oft denken wir Wissenschaftler nicht an den Alltag der Patient*innen. Mir wurde klar, dass selbst wirksame Medikamente häufig wegen Nebenwirkungen abgesetzt werden müssen. Die Forschung könnte sich stärker darauf konzentrieren, bestehende Therapien gezielter zu verbessern – etwa durch Kombinationen oder gewebespezifische Ansätze systemischer Therapien». Zusätzlich zu den vielen positiven Rückmeldungen entstanden während des Events sogar einige «Matches» für gemeinsame zukünftige Projekte zwischen Forschenden und Patient*innen.

DSC 9283
Foto by Andreas Eisenring

Open-Day mit Besichtigung der Biobank

Der Austausch wurde Ende Oktober durch einen weiteren Open Day in der Rheumatologie fortgesetzt, diesmal mit Schwerpunkt klinische Forschung. Klinikleiter Prof. Dr. Oliver Distler und einige Gruppenleiter der über 80 Forschenden aus 15 Ländern präsentierten aktuelle Projekte, darunter Beispiele aus nationalen und internationalen Rheuma-Langzeitregistern wie dem SCQM (Swiss Clinical Quality Management in Rheumatic Diseases) und EUSTAR (European Scleroderma Trials and Research Group). Diese Register zeigen, wie wertvoll gesammelte Daten und Proben von Rheumapatient*innen für ein tieferes Verständnis von Prognosen und Behandlungsmöglichkeiten sind. Darüber hinaus wurden neue Entwicklungen im Bereich Digital Health, etwa Home-Monitoring-Ansätze für Patient*innen mit Rheumatoider Arthritis, vorgestellt, die eine gezieltere Unterstützung im Krankheitsverlauf ermöglichen. Zwischen den Vorträgen sowie im Anschluss an die Präsentationen gab es zahlreiche spannende und kritische Fragen aus dem Publikum, die zu lebhaften Diskussionen führten.

Ein besonderes Highlight war die Besichtigung der zentralen Biobank des USZ, zu der Dr. Michael Weisskopf geladen hatte. In einem voll-automatischen Kühllager bei -80 °C können hier über 2 Millionen Proben von Patient*innen– wie Blut und Gewebeproben – sicher und energieeffizient aufbewahrt werden. Diese stellen einen wichtigen Beitrag auch zur rheumatologischen Forschung dar. Da solche Proben jahrzehntelang aufbewahrt werden können, sind auch wertvolle Langzeitvergleiche möglich.

Zudem hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, die Studienabteilung für klinische Forschung zu besichtigen und einen Einblick in die praktischen Abläufe der klinischen Forschung zu erhalten.

Der Anlass fand seinen Abschluss bei einem gemütlichen Apéro, bei dem viele Fragen und Gedanken ausgetauscht wurden.

DSC 9498
Foto by Andreas Eisenring

Gesucht: Forschungspartner*innen

Neben den von der Klinik für Rheumatologie organisierten Veranstaltungen wurden echte Kooperationen in Form von Forschungsprojekten aufgegleist, an denen Patient*innen und Forschende gemeinsam beteiligt sind.

Das grosse Interesse und die positiven Feedbacks der Teilnehmenden unterstreichen, wie wertvoll und bereichernd der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Ärzten, Wissenschaftler*innen und Patient*innen sein kann. Diese Initiativen verdeutlichen, dass die Forschung eng an den Bedürfnissen der Patient*innen ausgerichtet sein muss, dass die Patient*innen den Wunsch haben, aktiv mitzuwirken und die Forschung voranzubringen, und dass wir als Ärzteschaft und Forschende bestrebt sein müssen, eine patientenzentrierte Versorgung bzw. Forschung zu entwickeln. Nur so kann es gelingen, den Mensch als Ganzes zu erfassen und nicht nur dessen Krankheit.

Falls auch Sie Interesse haben, als Forschungspartner*in mitzuwirken oder mehr über die Möglichkeiten dieser Partnerschaft zu erfahren, können Sie sich gerne an Kristina Bürki (kristina.buerki@usz.ch) oder an Frau Dr. Muriel Elhai (muriel.elhai@usz.ch) wenden.

Stichworte