Ehlers-Danlos-Syndrome

Die Ehlers-Danlos-Syndrome (EDS) umfassen eine vielfältige Gruppe angeborener Bindegewebskrankheiten, die gegenwärtig in 13 unterschiedliche Subtypen unterteilt werden. Gemeinsam liegt ihnen eine Fehlveranlagung des Bindegewebes zugrunde.

Durch verschiedene Gendefekte ist die Struktur des Bindegewebes krankhaft verändert. Da das Bindegewebe den ganzen Körper durchzieht, handelt es sich bei EDS um eine Multisystemerkrankung mit individuell unterschiedlicher Beteiligung des Bewegungsapparates (Knochen, Gelenke, Sehnen, Bänder, Knorpel, Muskeln, Faszien), der Haut, der Blutgefässe, der Nervenbahnen, der inneren Organe, der Sinnesorgane und in seltenen Fällen sogar der Zähne.

Im Bewegungssystem kommt es zu einer allgemeinen Gelenksüberbeweglichkeit und reduzierten körperlichen Belastbarkeit, welche bei vielen Betroffenen zu erheblichen muskuloskelettalen Problemen führt – bis hin zur Invalidität.

Gelenksblockaden, Bandscheibenvorfälle, Nervenquetschungen und (Sub-)Luxationen von Gelenken gehören zum schmerzhaften Alltag mit EDS. Aufgrund der Beteiligung der Blutgefässe neigen EDS-Betroffene zu blauen Flecken und Blutungen.

Bei einem Teil der Betroffenen entwickeln sich schwerwiegende Komplikationen in Form lebensbedrohlicher Aneurysmen (Gefässerweiterungen), insbesondere beim sogenannten vaskulären Typ des Ehlers-Danlos-Syndroms. Meist besteht auch eine gestörte Wundheilung mit atropher Narbenbildung (eingesunkene Narben).

EDS zählt zu den seltenen Krankheiten: Eine von rund 5000 Personen ist betroffen.

Ursachen

Bei den Ehlers-Danlos-Syndromen handelt es sich um Erbkrankheiten. Es liegen Mutationen in Genen vor, die für die Produktion des Bindegewebes zuständig sind. Die meisten betreffen die Kollagenbildung. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Proteinen (Eiweissen), die einen wichtigen Bestandteil des Bindegewebes ausmachen. Sie bilden mit einem Anteil von rund 30% sogar das häufigste Protein im menschlichen Körper.

Die Kollagene liegen im Bindegewebe faserförmig vor und sorgen für die Reiss- und Zugfestigkeit des Bindegewebes. Dieses kommt überall im Körper vor und dient als Stütze, Schutz- und Verbindungsgerüst. Zum Beispiel im Bereich des Bewegungsapparates (Sehnen, Bänder, Faszien), um die inneren Organe, um Nerven und Blutgefässe oder in der Haut.

Durch die Gendefekte bei EDS kommt es zu einer gestörten Zusammensetzung des Bindegewebes: Das Bindegewebe wird zu elastisch und brüchig und kann so keine ausreichende Stützfunktion mehr gewährleisten.

Die Mutation der betroffenen Gene kann zu einem gewissen Teil von einem oder beiden Elternteilen vererbt werden – aber nicht alle Kinder von EDS-Betroffenen erben die Krankheit zwangsläufig. Je nach EDS-Typ beträgt die Vererbbarkeit 25% bis 50%. Zudem kann es zu einer neuen Mutation der zuständigen Gene kommen, ohne dass ein Elternteil von EDS betroffen ist (Spontanmutation).

Symptome

Die Symptome von EDS-Betroffenen sind vielfältig und variieren stark. Auch Personen aus derselben Familie mit dem gleichen EDS-Typ können unterschiedliche Beschwerden und Krankheitsverläufe zeigen.

Typische und häufige Symptome

  • Überstreckbare Gelenke (Hypermobilität)
  • Fehlstellungen der Gelenke und der Wirbelsäule
  • Sub-/Luxationen der Gelenke
  • Weichteilverletzungen (Sehnenrisse, Muskelrisse)
  • Sehnenentzündungen, Schleimbeutelentzündungen
  • Akute und chronische Schmerzen
  • Beschwerden an Nerven (z.B. Verrutschen, Einengungen, Quetschungen)
  • Veränderungen der Herzklappen
  • Veränderungen der grossen und kleinen Blutgefässe, z.B. Erweiterungen (Aneurysmen), Risse oder Krampfadern
  • Überdehnbare, dünne, verletzliche Haut
  • Verzögerte Wundheilung und abnorme Narbenbildung
  • Neigung zu Blutergüssen und Blutungen
  • Blutgerinnungsstörungen
  • Ödeme (Wassereinlagerungen im Gewebe)
  • Senkung von inneren Organen (z.B. der Gebärmutter, Blase)
  • Risse von inneren Organen (z.B. Darm, Gebärmutter)
  • Eingeweidebrüche (Hernien) wie z.B. Leistenbruch, Zwerchfellbruch
  • Fatigue (chronische Müdigkeit/Erschöpfung)
  • Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen (Propriozeptionsstörung)
  • Schlafstörungen
  • Augenerkrankungen (z.B. Netzhautablösung, hohe Myopie, Schielen, seltener Keratoconus)
  • Dysautonomie (Fehlregulation des vegetativen Nervensystems)
  • Chiari-Malformation Typ I, spontanes Liquor-Leck, Pseudotumor cerebri, Cervicomedulläres Syndrom
  • Kraniomandibuläre Dysfunktion (Funktionsstörung des Kausystems)
  • Veränderte Reaktion auf Medikamente (z.B. Lokalanästhetika)

Begleiterkrankungen

So unterschiedlich die Symptome, so vielfältig sind die möglichen Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) von EDS-Betroffenen. Unter den rheumatischen Krankheiten zählen die Arthrose und die Osteoporose dazu. Auch chronische Schmerzsyndrome wie z.B. das Fibromyalgie-Syndrom können auftreten.

Weitere Krankheiten, die mit EDS einhergehen können, sind das Posturale Tachykardie-Syndrom (POTS), das Schlafapnoe-Syndrom, Neuropathien (z.B. Polyneuropathie, Small-Fiber-Neuropathie), Blutgerinnungsstörungen und das chronische Fatigue-Syndrom (CFS/ME).

Wie bei vielen anderen chronischen Krankheiten können auch psychische Begleiterkrankungen auftreten, wie z.B. Depressionen. Diskutiert und aktuell erforscht wird ausserdem ein möglicher Zusammenhang mit dem Mastzellaktivierungssyndrom (einer Erkrankung des Immunsystems).

Diagnose

Die Verdachtsdiagnose wird aktuell anhand von Kriterien aus dem Jahre 2017 gestellt, die von einem internationalen Fachgremium ausgearbeitet wurden. Ein wichtiger Teil der Diagnose stützt sich auf die Krankheits- und Familiengeschichte, die Symptome und die klinische Untersuchung der Betroffenen.

Bei 12 der 13 EDS-Subtypen hilft eine genetische Untersuchung, die Diagnose definitiv zu stellen. Allerdings sind noch nicht alle auslösenden Gene bekannt, so dass aktuell international intensiv weitergeforscht wird.

Beim sogenannten hypermobilen Typ konnte bis anhin kein ursächliches Gen identifiziert werden, so dass die Diagnose hier allein aufgrund der klinischen Untersuchung gestellt wird. Durch eine verbesserte Kenntnis zugrundeliegender Gene und ihrer Mutationen ist es möglich, dass in Zukunft weitere EDS-Typen entdeckt werden.

Von den ersten Symptomen (meist im Kindesalter) bis zur Diagnose vergehen oft Jahre bis Jahrzehnte. Die meisten EDS-Betroffenen durchlaufen einen langen und schwierigen Diagnoseweg – Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen sind leider die Regel.

Dies liegt zum einen daran, dass die EDS-Symptome sehr vielfältig sind. Die Diagnosestellung ist zudem nicht einfach, sondern komplex und zeitaufwendig. Dazu kommt, dass es sich beim EDS um eine seltene Krankheit handelt. Viele Fachpersonen kennen EDS zwar aus der Ausbildung, haben damit aber kaum praktische Erfahrung.

Erschwerend kommt hinzu, dass es viele Bindegewebserkrankungen gibt, die Parallelen zum EDS zeigen und damit verwechselt werden können, wie zum Beispiel das Marfan-Syndrom, die Chondrodysplasie (angeborene Störung des Knochen- und Knorpelgewebes), die Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta) oder auch entzündlich-rheumatischer Erkrankungen.

Die Ehlers-Danlos-Syndrome müssen abgegrenzt werden von anderen Krankheiten, die mit einer krankhaft gesteigerten Hypermobilität des Bewegungsapparates einhergehen. Relevant ist in diesem Zusammenhang insbesondere die sogenannte Hypermobility Spectrum Disorder(HSD). Diese Diagnose wird gestellt, wenn eine gesteigerte Gelenkshypermobilität zu relevanten Beschwerden und Einschränkungen führt, die Kriterien der verschiedenen EDS-Typen aber nicht erfüllt sind. Dabei kann es zu sehr ähnlichen Symptomen wie bei den verschiedenen EDS-Subtypen führen, beispielsweise zu Schmerzen, Gelenksluxationen und Überdehnungen bis zu Sehnen- oder Bänderrissen. Auch die therapeutischen Ansätze sind je nach Ausprägung ähnlich oder sogar identisch.

Daneben gibt es viele Menschen, die eine angeborene Hypermobilität der Gelenke aufweisen, aber keinerlei Beschwerden haben (asymptomatische Gelenkshypermobilität). Diese hat keinen Krankheitswert und muss nicht behandelt werden.

Vorbeugung und Behandlung

Die Ehlers-Danlos-Syndrome sind chronische Krankheiten mit unterschiedlich fortschreitendem Verlauf.

Eine Therapie der zugrundeliegenden genetischen Ursachen steht zurzeit nicht zur Verfügung. Daher rückt nicht die Heilung, sondern die Behandlung in den Vordergrund. Sie lindert die Symptome und unterstützt das Krankheitsmanagement.

Da die Symptome sehr vielfältig sind, ist auch der Therapieaufbau individuell abzustimmen. Bei manchen Betroffenen lassen sich die Symptome und letztlich auch die Lebensqualität verbessern. Bei anderen wiederum hilft die Therapie, den Gesundheitszustand zu erhalten und einer raschen Verschlechterung vorzubeugen.

Im Vordergrund stehen Therapien wie Langzeitphysiotherapie, Ergotherapie, Osteopathie und in Ausnahmefällen Chiropraktik. Zu empfehlen sind die Förderung der Propriozeption, Pilates/Core-Stability-Training, eine multimodale Schmerztherapie, die Beckenbodentherapie sowie die Funktionelle Orthonomie und Integration (FOI).

Auch physikalische Therapien mit Elektrostimulation, Triggerpunktbehandlung, Wärme oder Kälte sowie orthopädische Hilfsmittel (z.B. Schuheinlagen, Orthesen, Bandagen, Stehhilfen bis Rollstuhl) können zum Einsatz kommen.

EDS-Betroffene sollten auf eine gute Ergonomie achten und ihre Gelenke vor übermässigen Belastungen schützen. Hierbei können gelenkschonende Hilfsmittel für den Alltag, die Küche, den Haushalt und die Freizeit nützliche Dienste erweisen. Auch komplementärmedizinische Verfahren können zum Einsatz kommen in Form von Akupunktur oder der Mind-Body-Medizin.

Nebst der Behandlung somatischer Symptome sind weitere Aspekte wichtig. Falls sekundäre psychische Erkrankungen oder unabhängig vom EDS psychische Komorbiditäten vorhanden sind, sollten diese ebenfalls mitbehandelt werden. Auch eine soziale oder finanzielle Beratung und Unterstützung kann je nach Situation notwendig sein. In schweren Fällen können Betroffene auf Hilfe von Dritten angewiesen sein und Spitex oder Assistenzdienstleistungen benötigen.

Empfohlene Massnahmen

  • Individuelles, auf den Schweregrad der Erkrankung angepasstes, ganzheitliches Training. Moderates sportliches Training mit geringem Krafteinsatz, geringer Gelenkbelastung und ohne Überdehnung der Gelenke (keine Kontaktsportarten, keine Medizinische Trainingstherapie [MTT])
  • Sanfte Bewegungsformen wie Pilates, Wassergymnastik, Schwimmen, Core-Stability-Training, Langlauf und Velofahren (falls unter Berücksichtigung des Schweregrades des vorliegenden EDS möglich), Feldenkrais
  • Bandagen, massgefertigte Orthesen und Tapes zum Gelenkschutz
  • Kältekompressen bei Blutungen
  • Beckenbodentherapie bei Senkungen oder funktionellen Problemen der Beckenorgane
  • Langzeitphysiotherapie, Osteopathie, Funktionelle Orthonomie (FOI) zur Behandlung von (Sub-)Luxationen, Bandscheibenvorfällen und Sehnen- oder Faszienproblemen
  • Schmerztherapie mit Medikamenten und Achtsamkeitstraining
  • Salben bei leichten Sehnen- und/oder Bänderverletzungen
  • Regelmässige Kontrolluntersuchungen der Augen, Zähne, Knochen, Gefässe und des Herz-Kreislauf-Systems
  • Teilnahme an Selbsthilfegruppen und Anlässen von Patientenorganisationen
  • Operative Eingriffe sollten nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen werden. Wenn es zu einem Eingriff kommt, benötigt es eine genaue Planung vor, während und nach der Operation.
  • Ergotherapie zur Behandlung von Beschwerden im Bereich der Hände, Instruktion über Gelenkschutz, Ergonomie und Hilfsmittelanpassung. Aber auch sogenanntes Schmerz- und Fatiguemanagement kann in einer Ergotherapie thematisiert werden.

Autoren: Dr. med. Aylin Canbek, Ehlers-Danlos Netz Schweiz

Datum der Veröffentlichung: März 2022
Letztmalige Aktualisierung: Februar 2024