Die Osteoporose ist eine schleichende Knochenerkrankung. Sie baut im ganzen Skelett Knochensubstanz ab und verändert die Struktur der Knochen: Sie werden porös, instabil und laufen Gefahr, bei geringer Belastung oder sogar ohne erkennbare Ursache zu brechen. Der landläufige Ausdruck «Knochenschwund» bringt das kaum zum Ausdruck. Zutreffender ist es, die Osteoporose als «erhöhte Knochenbrüchigkeit» zu bezeichnen.
Allein in der Schweiz sind rund 400'000 Personen von einer Osteoporose betroffen, mehrheitlich Frauen. Die Osteoporose kann schon in jungen Jahren auftreten, ist aber überwiegend ein Gesundheitsproblem älterer Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, ab dem 50. Lebensjahr infolge Osteoporose einen Knochenbruch zu erleiden, liegt in der Schweiz bei durchschnittlich 51% für Frauen und 20% für Männer.
Der menschliche Körper befindet sich ein Leben lang in Umbauprozessen. Auch die Knochenzellen sind einem permanenten Auf- und Abbau unterworfen. Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nimmt die Knochenmasse zu, weil die aufbauenden Prozesse des Knochenstoffwechsels die abbauenden überwiegen. Im Alter von ungefähr 30 Jahren ist die maximale Knochenmasse und der maximale Mineralgehalt der Knochen (die Knochendichte) erreicht. Dann setzt ein jährlicher Rückgang um bis zu 1% ein, der unter ungünstigen Umständen zu einer sog. primären Osteoporose führen kann.
Davon zu unterscheiden sind die selteneren Fälle einer sekundären Osteoporose im Gefolge einer anderen Krankheit oder aufgrund bestimmter medikamentöser Therapien.
Ursachen
Sowohl der normale Knochenalterungsprozess wie auch eine erbliche Veranlagung mögen zu einer primären Osteoporose beitragen, aber warum sich bei gewissen Personen eine Osteoporose entwickelt, während andere davon verschont bleiben, ist nicht schlüssig erklärbar.
Als begünstigende Faktoren gelten ein Lebensstil mit wenig körperlicher Bewegung, ein Calciummangel, eine Unterversorgung mit Vitamin D und ein Mangel am weiblichen Sexualhormon Östrogen – weswegen überwiegend ältere Frauen an der Osteoporose erkranken. Übermässiger Alkohol- und Nikotinkonsum gelten als Risikofaktoren für Männer und Frauen gleichermassen.
Eine Reihe von Grunderkrankungen können eine sekundäre Osteoporose hervorrufen. Dazu zählen insbesondere entzündliche Formen von Rheuma, chronische Darmerkrankungen, die zu einer Fehl- und Mangelernährung führen, und bösartige Knochentumore und Knochenmetastasen (Knochenkrebs).
Zahlreiche Medikamente können bei hoher Dosierung und in langen Therapien den Abbau der Knochenmasse beschleunigen und zu einer sekundären Osteoporose führen. Die folgende Liste gibt einen Überblick über derartige medikamentöse «Knochenräuber».
- Glukokortikoide wie z.B. Cortison
- Heparin-Langzeittherapie zur Behandlung und Vorbeugung von Thrombosen
- Aktivatoren des Gonadotropin-Releasing-Hormons (Therapie von Prostatakrebs)
- Antiandrogene Therapie (Therapie von Prostatakrebs)
- Aromatasehemmer (Zusatzbehandlung bei Brustkrebs)
- Chemotherapien
- Protonenpumpenhemmer und aluminiumhaltige Antazida als Magenschutz (bei Magenbrennen und saurem Aufstossen)
- Antiepileptika
- Immunsupprimierende Medikamente (nach Transplantationen)
- Schilddrüsenhormone
Symptome
Der Abbau von Knochenmasse an sich verursacht keine Beschwerden. Die Anfänge einer Osteoporose verlaufen darum meist symptomfrei. Das hat zur Folge, dass die Krankheit generell zu spät diagnostiziert wird, häufig erst nach einem verdächtigen Knochenbruch. Umso wichtiger ist es, auf bestimmte Anzeichen einer möglichen Osteoporose zu achten:
- Rückenschmerzen
- Buckelbildung (Verkrümmung der Wirbelsäule)
- Abnahme der Körpergrösse um mehr als 4 cm
Bei einer fortgeschrittenen Osteoporose können Knochen spontan brechen. Jeder Knochenbruch ohne Unfall oder Gewalteinwirkung muss den Verdacht auf eine Osteoporose lenken. Am häufigsten betroffen ist die Wirbelsäule, wo Wirbelknochenbrüche starke Schmerzen verursachen können. Auch die Buckelbildung und das Schrumpfen der Körpergrösse gehen auf das Einbrechen mehrerer Wirbelkörper zurück.
Ein überdeutliches Anzeichen für eine Osteoporose ist der Bruch des Oberschenkelknochens nahe dem Hüftgelenk. Die sog. Schenkhalsfraktur zeigt eine weit fortgeschrittene Osteoporose an. Weitere Knochenbrüche sind in diesem Stadium der Erkrankung selbst bei bester Behandlung sehr wahrscheinlich.
Diagnose
Zur Diagnose wird der Arzt als erstes nach Anzeichen und Risikofaktoren der Osteoporose fragen. Um einen Verdacht auf Osteoporose zu erhärten (oder zu entkräften), wird er gegebenenfalls eine Knochendichtemessung veranlassen und Röntgenbilder anfertigen.
Seltener erfolgen Laboruntersuchungen (um andere Knochenkrankheiten, die ebenfalls die Knochendichte vermindern, auszuschliessen) oder mikroskopische Untersuchungen von entnommenem Knochengewebe (Knochenbiopsie).
Werden auf einem Röntgenbild mehrere eingebrochene Wirbel ersichtlich, ist die Diagnose einer manifesten Osteoporose sehr wahrscheinlich. Zweifelsfrei feststellen oder sicher ausschliessen kann man eine Osteoporose mit Röntgenbildern aber nie. Einen fortgeschrittenen Knochenschwund von über 30% lässt sich anhand eines Röntgenbilds bestenfalls vermuten.
Ultraschallmessung der Knochendichte
Diese einfache Untersuchung erfolgt meist am Fersenbein. Eine Ultraschallmessung an der Wirbelsäule, wo die Abnahme der Knochendichte in der Regel zuerst erkennbar wäre, ist bis heute nicht durchführbar.
Die an der Ferse gemessenen Werte geben gewisse Hinweise auf das Knochenbruchrisiko bei älteren Menschen. Bei den unter 60-Jährigen erlaubt sie allerdings keine zuverlässige Diagnose. Vor einer medikamentösen Behandlung oder zur Verlaufsmessung der Knochendichte ist daher eine Knochendichtemessung mit der DXA-Methode notwendig.
DXA-Messung (Doppel-Energie-Röntgenabsorptiometrie)
Sehr zuverlässig ist die DXA-Methode der Knochendichtemessung. Sie wird meist an der Lendenwirbelsäule und am Oberschenkelhals vorgenommen. Dabei wird die Knochenmineraldichte mit schwacher Röntgenstrahlung gemessen und mit den Normalwerten junger, knochengesunder Menschen verglichen.
Unbestrittene Vorteile der Doppel-Energie-Röntgenabsorptiometrie sind die Präzision, die auch zuverlässige Verlaufsmessungen ermöglicht, und dass sie Messungen erlaubt in Körperregionen, wo Knochenbrüche die schwersten Folgen haben.
Quantitative Computertomographie
Mit dieser Methode wurde früher an der Wirbelsäule gemessen. Sie kommt wegen der Strahlenbelastung heute nur noch selten zur Anwendung. Möglich sind auch Messungen am Arm oder Unterschenkel, die nicht nur über die Knochendichte, sondern ein Stück weit auch über die Knochenarchitektur Aufschluss geben. Die quantitative Computertomographie gehört nicht zu den Routineuntersuchungen.
Behandlung
Die moderne Osteoporose-Therapie bündelt verschiedene Behandlungsansätze. Sie reichen von der medikamentösen Therapie über die Korrektur von Ernährungsdefiziten (Calcium, Vitamin D) bis zu Massnahmen, die Mobilität zu bewahren und Stürze zu vermeiden. Das Behandlungsziel besteht darin, das Fortschreiten der Erkrankung zu verzögern und das Risiko von Knochenbrüchen zu senken.
Zur medikamentösen Behandlung einer Osteoporose stehen Präparate zur Verfügung, die entweder den Knochenabbau hemmen oder den Knochenaufbau fördern. Die am häufigsten eingesetzten Osteoporose-Medikamente zählen zur Gruppe der Bisphosphonate.
Bisphosphonate
Bisphosphonate reduzieren den Abbau von Knochensubstanz und können die Knochendichte (Mineralgehalt der Knochen) stabilisieren. Der Behandlungserfolg ist abhängig von einer konsequenten Durchführung und (wenn in Tablettenform) der korrekten Einnahme (morgens nüchtern). Bisphosphonate müssen in der Regel über mehrere Jahre eingenommen werden, wobei wiederholte Knochendichtemessungen den Erfolg der Langzeitbehandlung kontrollieren.
Osteologische Biologika
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Östrogene
Eine Behandlung mit weiblichen Geschlechtshormonen erfolgt vorwiegend bei Frauen unter 60 Jahren, die an leichten Formen der Osteoporose oder deren Vorstufen (Osteopenie) leiden. Östrogene können nach einer vorzeitigen oder regulären Menopause die Hormonmangelerscheinungen beheben und einem Verlust der Knochenmasse entgegenwirken.
Calcium- und Vitamin-D-Supplemente
Calcium und Vitamin D sind nach herrschender Auffassung unentbehrlich zur Mineralisierung der Knochen. Während Calcium einen wichtigen Knochenbestandteil darstellt, gewährleistet Vitamin D den Einbau von Calcium in die Knochen. Deshalb haben sich Kombinationspräparat mit Calcium und Vitamin D3 als eine Osteoporose-Basistherapie etabliert. Die Dosierung kann variieren nach Alter, Geschlecht und Lebensstil der Betroffenen.
Regelmässige körperliche Aktivitäten fördern den Knochenstoffwechsel und festigen die Knochen. Der stärkste Reiz für den Knochenstoffwechsel geht von einer Belastung des Skeletts in aufrechter Körperhaltung aus. Besonders zu empfehlen sind darum Sportarten wie Spazieren, Wandern und Nordic Walking, die zudem ein geringes Sturzrisiko bergen. Eine regelmässige sportliche Betätigung stärkt zudem die Muskeln und verbessert die Beweglichkeit sowie den Gleichgewichtssinn. Beides vermindert wiederum die Sturzgefahr.
Für den Muskelaufbau sowie die Verbesserung der Koordination und des Gleichgewichtes eignen sich moderates Krafttraining, eine medizinische Trainingstherapie und gezielte Gymnastikübungen. Die Rheumaliga bietet ein speziell auf Osteoporose-Betroffene zugeschnittenes Gymnastikprogramm namens Osteogym.
Bei einer Osteoporose kann ein banaler Sturz zu einem schweren Knochenbruch führen. Die Rheumaliga Schweiz bietet älteren Menschen, die selbständig zu Hause wohnen, eine persönliche Sturzprävention an.
Eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Eiweiss, Calcium und Vitaminen ist eine wichtige Basismassnahme sowohl zur Behandlung wie auch zur Vorbeugung einer Osteoporose.
Vorbeugung
Das Ziel der Osteoporose-Prävention deckt sich mit dem Behandlungsziel bei Osteoporose: Die Anregung des Knochenstoffwechsel soll die Knochendichte erhalten oder sogar steigern, um insbesondere Stürze mit Bruchfolge zu vermeiden. Die geschieht vorrangig durch Bewegung und Sport, einem Training des Gleichgewichts sowie durch eine ausgewogene Ernährung mit Eiweiss, Calcium und Vitamin D (enthalten in fettem Fisch, Leber und Eigelb).
Um Stürze mit dem Risiko eines Knochenbruches zu vermeiden, sollte man sich der eigenen Sturzgefährdung bewusst sein und gewisse Risikofaktoren ausschalten. Das kann heissen, in der Wohnung Stolperfallen zu beseitigen, die Beleuchtung zu verbessern, sich einen Duschhocker anzuschaffen oder Haltegriffe zu montieren.
Darüber hinaus sollten sich ältere Menschen ihrer mentalen und körperlichen Defizite bewusst werden und ihnen entgegenwirken, beispielsweise durch Rhythmik und Krafttraining.
Beim Rhythmik-Training nach Emile Jacques-Dalcroze führen die Teilnehmer zu live gespielter, improvisierter Klaviermusik Bewegungen aus, die vorrangig das Dual-Tasking trainieren. Unter Dual-Tasking versteht man das simultane Ausführen einer aktiven Bewegung (Motorik) und einer geistigen Aufgabe (Kognition) wie z.B. gleichzeitiges Gehen und Sprechen.
Das Zusammenspiel von Takt, Klang und Körper schult den Gleichgewichtssinn und verbessert die Bewegungskompetenz. Studien beweisen, dass die Jacques-Dalcroze-Rhythmik die Gangsicherheit erhöhen und das Sturzrisiko von Senioren halbieren kann. Demenz-Betroffene verbessern ausserdem die Gedächtnisleistung, die verbale Kommunikation und die räumliche Orientierung.
Die Muskeln durch regelmässiges Krafttraining zu bewegen und zu belasten, wirkt präventiv gegen den altersbedingten Muskelschwund (Sarkopenie) und ist in Kombination mit einer gezielten Eiweissanreicherung auch eine erfolgreiche Behandlungsmethode.
Studien belegen eine Zunahme der Muskelkraft bei Senioren, die ein progressives Muskeltraining absolvieren und gleichzeitig Proteindrinks zu sich nehmen. Eine alleinige Proteinanreicherung ohne Krafttraining hat sich hingegen als wirkungslos erwiesen.
Podcast: Gut leben mit Osteoporose
Die Rheumatologin Judith Everts-Graber erklärt, warum die meisten der rund 400’000 betroffenen Personen in der Schweiz ältere Frauen sind (aber eben nicht nur), und wie die Knochen gestärkt werden können, damit es nicht zu Brüchen kommt. Im Gespräch werden zusammen mit einer Betroffenen die gängigsten Osteoporose-Mythen geklärt.