Pseudogicht

Bei einer Pseudogicht (oder Chondrokalzinose) kommt es zu gichtähnlichen Gelenkbeschwerden. Die Erkrankung führt zu Entzündungen, ist schmerzhaft und kann ein Gelenk zerstören. Die Beschwerden können akut, schubweise oder chronisch auftreten.

Ursache der Pseudogicht sind kristalline Ablagerungen von Calciumpyrophosphat (CPP). Die Pseudogicht hat demnach eine ganz andere Entstehungsgeschichte als die eigentliche Gicht: Es verkalken die Gelenke.

An der Pseudogicht erkranken vor allem ältere Menschen: 6% der 60- bis 70-Jährigen, 30% der über 80-Jährigen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. In der Altersklasse über 60 Jahren erkranken Frauen fünfmal häufiger als Männer.

Die Pseudogicht ist eine häufige Begleiterscheinung einer altersbedingten Arthrose.

Ursachen

Kalkablagerungen in den Gelenken können von einer Störung des Calciumstoffwechsels herrühren, aber das macht bei weitem nicht alle Fälle von Pseudogicht plausibel. Die Medizin vermag die enorme Häufung der sog. primären Pseudogicht bei Personen über 80 Jahren nicht zu erklären.

Anders verhält es sich, wenn die Pseudogicht offenkundig sekundär, d.h. im Gefolge gewisser Stoffwechselerkrankungen, auftritt, die sich häufig schon im frühen Erwachsenenalter entwickeln. Bei Pseudogicht-Patienten unter 60 Jahren sollte immer nach einer zugrundeliegenden Stoffwechselerkrankung gesucht werden. Gewisse Stoffwechselerkrankungen können, wenn sie zu spät oder unangemessen behandelt werden, zu schweren Komplikationen an Herz, Leber, Knochen und anderen Organen führen.

Eine (gutartige) Zellwucherung der Nebenschilddrüsen ist eine relativ häufige Ursache der sekundären Pseudogicht. Das Problem liegt darin, dass die Tumorzellen zusätzliche Mengen Parathormon produzieren. Dies erhöht den Calciumgehalt im Blutkreislauf (Hyperkalzämie). Eine Hyperkalzämie schädigt die Nieren und führt zu Kalkablagerungen in Gelenken und Weichteilen, bei gleichzeitiger Entkalkung der Knochen.

Auch die sog. Eisenspeicherkrankheit (Hämochromatose) kann eine Pseudogicht verursachen. Dabei handelt es sich um genetische bedingte Ablagerungen von Eisen in der Leber, in Gelenken, der Bauchspeicheldrüse und weiteren Organen. Ursache dafür ist eine übermässige Aufnahme von Eisen im Dünndarm. Die grösste Gefahr geht dabei von einer Leberzirrhose (Schrumpfleber) und ihren Folgen sowie einer Herzmuskelerkrankung aus.

Eine weitere Grunderkrankung, die Pseudogicht verursachen kann, ist ein chronischer Mangel an Magnesium, dadurch hervorgerufen, dass der Körper im Darm oder in den Nieren zu wenig Magnesium aufnehmen kann. Die Ursache liegt in erblich bedingten Störungen des Phosphat- und Magnesiumstoffwechsels.

Auch die seltene Kupferspeicherkrankheit (Morbus Wilson) kann eine sekundäre Pseudogicht hervorrufen. Die Betroffenen vermögen Kupfer aus der Nahrung nur ungenügend auszuscheiden. Dadurch kommt es zu Kupferablagerungen in der Leber und weiteren Organen.

Schliesslich können auch Gelenkfehlstellungen eine Pseudogicht begünstigen. Diese können angeboren oder durch einen Unfall oder eine Operation verursacht worden sein. Auch Deformationen durch chronische Gelenksentzündungen (Arthritis) zählen zu diesen Gelenkveränderungen.

Symptome

Die kristallinen Ablagerungen von Calciumpyrophosphat (CPP) wirken wie Schmirgelpapier auf den Gelenkknorpel ein und schädigen ihn. Wenn sich Schwellungen und Schmerzen bemerkbar machen, ist die Verkalkung oft schon weit fortgeschritten.

Die Pseudogicht kann grössere Gelenke wie das Knie genauso treffen wie die feinen Gelenke der Finger. Die Pseudogicht in der Hand ist sogar häufiger festzustellen als die Handgicht (Chiagra).

Zusätzlich zum Knorpelgewebe können Weichteile ausserhalb von Gelenken verkalken, namentlich Sehnen, Bänder und Bandscheiben. Kalkablagerungen führen nicht zwangsläufig zu Problemen. Manche Betroffene sind den Verkalkungen zum Trotz beschwerdefrei.

Die akute Pseudogicht ähnelt einem Gichtanfall: Die betroffenen Gelenke (eines oder einige wenige) entzünden sich, schwellen an und schmerzen. Die akuten Beschwerden klingen innerhalb eines Tages oder maximal vier Wochen wieder ab. Unterbleibt eine angemessene Behandlung, wird sich früher oder später der nächste Anfall einstellen.

Zu beobachten sind auch langsame Verläufe der Pseudogicht: Beschwerdefreie Phasen können sich mit Schüben abwechseln, die jeweils mehrere Wochen oder gar Monate andauern.

Die Pseudogicht kann auch chronisch verlaufen. Die Schmerzen sind dann weniger heftig als beim akuten Gichtanfall, aber schränken die Bewegungen und die Tätigkeiten des täglichen Lebens doch sehr ein, vor allem, wenn das Handgelenk betroffen ist.

Patienten mit einer chronischen Pseudogicht leiden zusätzlich häufig an wiederkehrend hohem Fieber und einem allgemeinen Krankheitsgefühl.

Eine chronische Pseudogicht kann zu einer Arthrose führen. Von dieser Entwicklung am häufigsten betroffen ist das grösste Gelenk des menschlichen Körpers, das Knie.

Diagnose

Erfahrene Rheumatologen erkennen die Calciumpyrophosphatkristalle im Ultraschall. Diagnostische Sicherheit bringen Röntgenuntersuchungen. Die Röntgenbilder zeigen feine streifige Verkalkungen in Längsrichtung der Knochen.

Eine weitere diagnostische Möglichkeit ist die Punktion betroffener Gelenke. Unter dem Mikroskop lässt sich das Calciumpyrophosphat (CPP) in der Gelenkflüssigkeit nachweisen.

Behandlung

Betroffene sollten im Falle einer akuten Pseudogicht das betroffene Gelenk entlasten, schonen und mit Eis kühlen sowie ärztliche Hilfe anfordern.

Die Bildung von kristallinem Calciumpyrophosphat lässt sich kaum unterbinden. Die hauptsächliche Strategie einer Pseudogicht-Therapie besteht deshalb darin, den Entzündungsmechanismus medikamentös zu blockieren. Gegen den Entzündungsreiz und die Schmerzen helfen in der Regel nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR).

Alternativ kann das ehedem klassische Gichtmedikament Cholchicin zum Einsatz kommen. Es soll in niedriger Dosierung auch zur Prophylaxe von Pseudogichtschüben dienen.

Akute Schmerzen lassen sich durch eine Injektion von Cortison in das betroffene Gelenk lindern.

Bei einem Pseudogichtanfall wird empfohlen, die betroffenen Gelenke zu kühlen. Linderung kann auch bringen, wenn der Arzt die angesammelte Gelenkflüssigkeit mit einer Spritze oder Nadel abzieht (diese Punktion ist sowieso für die Diagnose nötig).

Bei einer chronisch gewordenen Pseudogicht hilft hingegen Wärme. Ist ein Gelenk durch die Verkalkung massiv geschädigt, kann der Chirurg versuchen, die chronisch entzündete Gelenkinnenhaut zu entfernen.

Hat sich die Pseudogicht im Gefolge einer anderen Erkrankung entwickelt, muss diese behandelt werden, um eine Chronifizierung der Pseudogicht zu verhindern. Das gilt für genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen genauso wie für Gelenkfehlstellungen.