«Ich fühle mich immer noch wie ein Teenager»
Sich mit anderen austauschen, plaudern und sich regelmässig bewegen: Das ist Eveline Egger wichtig. Seit über 20 Jahren ist sie Mitglied der Rheumaliga Zürich, Zug und Aargau. Wie sie ihren Alltag mit Osteoporose gestaltet und wie die Rheumaliga ihr dabei hilft, erzählt sie im Porträt.
Als ihr Hausarzt feststellte, dass Eveline Egger Osteoporose hat, riet er ihr gleich: «Ein Osteo-Kurs bei der Rheumaliga wäre gut für Sie! Wenn Sie möchten, melde ich Sie direkt an.» Damals war Eveline Egger knapp 50 Jahre alt und kannte die Rheumaliga Zürich (heute: Rheumaliga Zürich, Zug und Aargau) nur vom Hörensagen. Sie war dankbar, dass ihr Hausarzt ihr den Zugang zum Angebot der Rheumaliga ermöglichte und bald stand sie mitten in einer «Osteogym»-Klasse und entdeckte ihre Freude an der Bewegung neu. «Es ist einfach schön», sagt Egger heute, mehr als 20 Jahre später. Sie sitzt in ihrer gemütlichen Stube, eine Tasse Tee, ein paar Trauben und Nüsse vor sich auf dem Tischchen, und erzählt aus ihrem Alltag. Bis heute geht sie regelmässig ins Osteogym und will es nicht mehr missen. 20 Jahre regelmässige Bewegung haben Egger geholfen, ihre Mobilität zu bewahren. «Die Kursleiterin Ursula – wir dürfen sie Ursi nennen – geht bestens auf unsere unterschiedlichen Bedürfnisse ein», erzählt sie. Die Kursleiterin wisse, wer welche Einschränkungen hat, welche Bewegungen guttun und welche weniger.
Mindestens so wichtig wie die regelmässige, gezielte Bewegung ist dem langjährigen Mitglied der Rheumaliga Zürich, Zug und Aargau der Austausch. «Vor und nach dem Kurs plaudern wir miteinander und manchmal trinken wir zusammen Kaffee. Mit einer Kollegin gehe ich hin und wieder zum Mittagessen. Und wenn einmal jemand aus dem Kurs nicht kommen kann, dann rufen wir an und erkundigen uns, wie es geht. Das schätze ich sehr.» Viele Freundschaften hat sie über die Jahre bereits geschlossen – nicht nur im Gymnastikkurs, sondern auch im «Erzählcafé», das sie ebenfalls regelmässig besucht.
Egger erzählt gerne aus ihrem Leben und hört auch anderen gerne zu. Anekdoten kennt sie genug – und kann so genau sagen, an welchem Datum sich welche Anekdote zugetragen hat, dass man kaum aus dem Staunen kommt.
Menschen treffen
Die lebhafte Frau mit dem Schalk im Gesicht spricht derweil auch über ernste Themen, die sie umtreiben. «In meiner Familie sind inzwischen alle verstorben: Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder. Da bist du auf einmal allein», sagt sie. Sie sagt es mit ein wenig Trauer in der Stimme. Trauer um ihre Liebsten, die gegangen sind. Aber sie sagt es ohne Schwermut. Denn das Leben bietet viele Freuden. «Ich bin vielseitig interessiert und sehr gerne unterwegs.» Oft gehe sie im Anschluss an den Osteogym-Kurs zum Beispiel aufs Schiff und mache einen kleinen Ausflug. Allzu oft allein zu sein, findet sie aber nicht gut. «Darum ist es so schön, wenn man Menschen treffen kann, mit anderen zusammenkommen kann. In der Gymnastik, im Erzählcafé und den anderen Anlässen der Rheumaliga kann ich das machen. Das ist doch wunderbar!» Im Osteogym seien auch andere Frauen, die alleine lebten, so Egger. «Es ist wichtig, dass man ein bisschen aufeinander schaut. Und das machen wir.»
Ich weiss, es ist nicht selbstverständlich, dass ich noch so mobil bin. Mit meiner langjährigen Osteoporose und meinen fast 70 Jahren. Aber ich fühle mich noch wie ein Teenager!
Eveline Egger
Mit der Osteoporose hat Eveline Egger gelernt zu leben. «Ich bin zum Glück immer noch mobil», sagt sie und strahlt über das ganze Gesicht. Sie lebt selbständig in ihrer Wohnung, kümmert sich um den Haushalt und ernährt sich gesund. «Es kommt mir sehr zugute, dass ich eine Ahnung von Ernährung habe. So kann ich darauf achten, dass ich genügend Eiweiss und Vitamine bekomme», sagt sie.
Auch den Einkauf macht sie selbst und immer zu Fuss. Mit ihrem Einkaufswagen, ihrem «Cadillac», wie sie das Wägelchen scherzhaft nennt, spaziert sie durchs Quartier zum Lebensmittelgeschäft. Mit dabei ist seit einigen Jahren immer auch ein Gehstock. «Als mir der Hausarzt damals sagte, ich sollte nun mit dem Gehstock auf die Strasse, um sicherer zu gehen, da hatte ich zuerst gar keine Freude», erinnert sich Egger und schüttelt den Kopf. Ihr Gesicht hellt sich auf: «Aber dann habe ich rasch gemerkt, dass mir der Stock wirklich eine Hilfe ist. Zum Beispiel, wenn ich aus einem Tram aussteige und die hohe Treppe heruntersteigen muss. Früher bin ich da einfach rausgesprungen. Aber das darf ich heute nicht mehr, das gäbe einen zu harten Schlag auf meine Hüfte, die am stärksten von der Osteoporose betroffen ist.»
Bestens organisiert
Kommt Egger zurück vom Einkauf, hat sie regelmässig Glück und trifft auf andere Bewohner:innen im Mehrfamilienhaus. «Das sind alles Studierende! Junge, nette Leute, mit denen ich gerne Spässe mache. Es tut gut, auch junge Menschen um sich zu haben.» Sie tragen ihren Einkauf hoch in den dritten Stock und Egger ist froh, kann sie sich aufs Treppensteigen konzentrieren. «Auch das tut mir gut, das Treppensteigen. Es hält mich in Bewegung.» Einen Lift gibt es nicht, die drei Stockwerke geht sie meist mehrmals täglich.
Eveline Egger hat ihren Alltag bestens organisiert und kann gut mit ihren Einschränkungen umgehen. Im Winter, wenn Eis auf der Strasse liegt, dann bleibt sie konsequent zuhause. «Das wissen alle», sagt sie. «Wenn es eisig ist, gehe ich nicht raus. Ich will keinen Sturz riskieren. Die Konsequenzen wären viel zu einschneidend. Dann verzichte ich lieber ein, zwei Tage auf meine Aktivitäten.» Beschäftigen kann sie sich auch so. Gerne sitzt sie in ihrer gemütlichen Stube und legt eine Patience oder löst Kreuzworträtsel. Und wenn sie dann doch einmal aus dem Haus muss, weil der Kühlschrank leer ist oder ein Arzttermin ansteht, dann montiert sie an ihrem Gehstock die spitzen Metallzacken, die Dominique Schwank von der Rheumaliga Zürich, Zug und Aargau für sie organisiert hat, damit sie auf rutschigem Untergrund Halt findet. «Der Dominique ist einfach für uns da», sagt Eveline, und fügt an: «Wie alle in der Rheumaliga Zürich, Zug und Aargau. Es ist immer wieder schön, wenn wir uns treffen. Der nächste Gesundheitstag steht ja auch schon wieder vor der Türe.»
Elena Ibello